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Der dunkle Wächter

Der dunkle Wächter

Titel: Der dunkle Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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empfunden hatte, mit atemberaubender Geschwindigkeit verflüchtigte.
    »Masken enthüllen das wahre Gesicht eines Menschen…«
    Simone bemühte sich, die Ruhe zu bewahren. Ihrer Wut freien Lauf zu lassen würde zu nichts führen.
    »Wo sind meine Kinder? Bitte…«
    »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, Madame Sauvelle. Ich weiß es nicht.«
    »Was haben Sie mit mir vor?«
    Lazarus streckte eine Hand aus, die in einem Satinhandschuh steckte. Die Oberfläche der Maske blitzte erneut auf. Das war das Funkeln, das sie zuvor bemerkt hatte.
    »Ich tue Ihnen nichts, Simone. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Sie müssen mir vertrauen.«
    »Ein etwas unpassendes Ansinnen, finden Sie nicht?«
    »Es ist zu Ihrem eigenen Besten. Ich versuche Sie zu beschützen.«
    »Vor wem?«
    »Setzen Sie sich doch, bitte.«
    »Was zum Teufel geht hier vor? Warum sagen Sie mir nicht, was los ist?«
    Simone merkte, wie ihre Stimme zu einem dünnen, kindlichen Wispern wurde. Weil sie merkte, dass sie sich am Rand der Hysterie bewegte, ballte sie die Fäuste und atmete tief durch. Dann trat sie ein paar Schritte zurück und nahm in einem der Sessel Platz, die rings um ein leeres Tischchen standen.
    »Danke«, flüsterte Lazarus.
    Eine Träne rollte ihr die Wange hinab.
    »Zunächst einmal sollen Sie wissen, dass ich es zutiefst bedauere, dass Sie in all das hineingezogen wurden. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde«, erklärte der Spielzeugfabrikant.
    »Es gab nie einen Jungen namens Jean Neville, nicht wahr?«, fragte Simone. »Dieser Junge waren Sie. Die Geschichte, die Sie mir erzählt haben… Das war die halbe Wahrheit Ihrer eigenen Geschichte.«
    »Ich sehe, Sie haben meine Sammlung von Zeitungsausschnitten gelesen. Das hat sie wahrscheinlich zu einigen interessanten, aber falschen Schlussfolgerungen kommen lassen.«
    »Die einzige Schlussfolgerung, die ich gezogen habe, Monsieur Jann, ist die, dass Sie ein kranker Mann sind, der Hilfe braucht. Ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, mich hierherzubringen, aber ich versichere Ihnen, dass mich mein erster Gang zur Gendarmerie führen wird, sobald ich hier herauskomme. Entführung ist ein Verbrechen…«
    Ihre Worte kamen ihr ebenso lächerlich wie fehl am Platz vor.
    »Darf ich daraus schließen, dass Sie beabsichtigen, Ihre Stelle aufzugeben, Madame Sauvelle?«
    Diese merkwürdige Form von Ironie ließ Simone hellhörig werden. Diese Bemerkung passte so gar nicht zu dem Lazarus, den sie kannte. Aber wenn etwas klar war, dann, dass sie ihn eigentlich überhaupt nicht kannte.
    »Ich ahne, was Sie wollen«, gab sie kühl zurück.
    »Gut. In diesem Fall gestatten Sie mir, bevor Sie zur Polizei gehen– meine Erlaubnis dazu haben Sie–, dass ich die fehlenden Teile der Geschichte ergänze, die Sie sich zweifellos bereits in Ihrem Kopf zurechtgelegt haben.«
    Simone betrachtete die fahle, völlig ausdruckslose Maske. Ein Porzellangesicht, aus dem diese kalte, distanzierte Stimme hervordrang. Seine Augen waren zwei dunkle Höhlen.
    »Sie werden sehen, meine liebe Simone, die einzige Moral, die sich aus dieser und jeder anderen Geschichte ziehen lässt, ist die, dass im wahren Leben, anders als in Romanen, nichts so ist, wie es scheint…«
    »Versprechen Sie mir eines, Lazarus«, unterbrach sie ihn.
    »Wenn es in meiner Macht steht…«
    »Versprechen Sie mir, dass Sie mich mit meinen Kindern von hier fortgehen lassen, wenn ich mir Ihre Geschichte anhöre. Ich schwöre Ihnen, dass ich nicht zur Polizei gehen werde. Ich werde nur meine Familie nehmen und das Dorf für immer verlassen. Sie werden nie wieder von mir hören«, bat Simone.
    Die Maske schwieg einige Sekunden.
    »Das ist es, was Sie wollen?«
    Sie nickte und schluckte die Tränen hinunter.
    »Sie enttäuschen mich, Simone. Ich dachte, wir seien Freunde. Gute Freunde.«
    »Bitte…«
    Die Maske ballte die Faust.
    »Gut. Wenn es Ihr Wunsch ist, mit Ihren Kindern vereint zu sein, soll es so sein. Zu seiner Zeit…«
     
    »Erinnern Sie sich an Ihre Mutter, Madame Sauvelle? Alle Kinder haben in ihrem Herzen einen Platz für die Frau reserviert, die ihnen das Leben schenkte. Sie ist wie ein Lichtpunkt, der nie erlischt. Ein Stern am Firmament. Ich habe den größten Teil meines Lebens mit dem Versuch verbracht, diesen Punkt zu löschen. Ihn völlig zu vergessen. Doch das ist nicht leicht. Wirklich nicht leicht. Ich hoffe, dass Sie sich meine Geschichte anhören, bevor Sie über mich urteilen, mich

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