Der Durst der Toten
Schatten, nur undeutlich erkennbar, weil die Flutlichtstrahler in entgegengesetzte Richtung wiesen.
So wenig wie Seven wußte, was ihren Blick dorthin gelenkt hatte, verstand sie, warum sie beim Anblick der beiden Gestalten eine Gänsehaut überlief.
Fröstelnd wandte sie sich ab -
- und als die Neugierde siegte und sie Sekunden später erneut zu der Stelle schaute, stand niemand mehr dort. Entweder hatten sich die Unbekannten unter die anderen Neugierigen gemischt, oder sie waren gegangen.
Seven tat es mit einem Achselzucken ab.
Und mußte mit Unbehagen feststellen, daß es so einfach nicht war. Ungeachtet der wesentlich dramatischeren Ereignisse vor Ort kehrten ihre Gedanken immer wieder zu den beiden Fremden zurück.
Bis das Haus zurückkehrte und die Tür sich öffnete -
*
Sohn?
Darren Secada starrte in die Weite des Ganges, der in nebliges, wie Schwaden dahinziehendes Licht gehüllt war, das aus den Fenstern hereinfiel. Der Gang jedoch war leer. Niemand befand sich erkenn-bar in seiner Nähe.
Darren kämpfte die aufkeimenden klaustrophobischen Ängste nieder. Zweifellos war er gefangen!
Das Haus kommt und geht, hielt er sich vor Augen. Das Wabern vor der Tür bedeutet, daß es sich wieder aus meiner Wirklichkeit entfernt hat.
Faktisch gesehen hatte er den wahrscheinlich größten Fehler seines Lebens begangen, als er dieses Gebäude betrat. Hatte er sich ernsthaft eingebildet, einfach hier hereinstiefeln und in Erfahrung bringen zu können, was seinen Vater damals zum Wrack gemacht hatte? Zu einem, der sich einbildete, ein Vampir zu sein?
Die Neugier (und die Furcht vor dem wabernden Irrsinn jenseits der Tür) trieb Darren zum Ende des Ganges, wo Treppen nach oben und unten führten.
Wer hatte das Haus ausgeräumt? Und warum? Es gab keine Einrichtung, nicht einmal Tapeten, keine Teppiche oder andere Bodenbeläge, keine Dekoration, nicht einmal ... Farbe.
Alles grau in grau, dachte Darren. Es könnte ein Spiegel meiner Gefühle sein.
Es kam ihm fast vor, als würde er sich durch das Bühnenbild eines Theaters oder einer Filmproduktion bewegen. Seine Umgebung wirkte seltsam unecht, beinahe wie ein computergeneriertes Bauwerk. Aber als Darren eine Wand berührte, war sie keineswegs »virtuell«, sondern fühl- und greifbar wie die Tür, durch die er in dieses Haus gelangt war.
Vorsichtig und auf unliebsame Überraschungen gefaßt, durchsuchte er Raum für Raum des Erdgeschosses. Die Monotonie wurde nur selten unterbrochen. In einem größeren Zimmer war ein Kamin angedeutet, ab und zu gab es kleine Nischen und Deckenabstufungen, aber alles wirkte wie ein dreidimensionaler Grobentwurf, nicht wie die bewohnbare Endfassung .
Kulissenhaft, dachte Darren. Kulissenhaft ist das Wort, das es am besten ausdrückt.
Das obere Stockwerk würde nicht anders aussehen. Schon die Treppe war im selben Stil gehalten - nichtssagend und anonym.
Inzwischen zweifelte er auch nicht mehr daran, daß er das einzige lebendige Geschöpf in diesem »Gebäude« war.
Und doch fühlte er sich noch immer seinem Vater nahe.
War dieses Haus etwa selbst ein Vampir? Hatte es einen Teil von Brian Secadas Seele an sich gerissen - jenes Stück, das dem Parapsychologen seither fehlte und ihn seiner Normalität beraubt hatte?
Darren schrak zusammen, als er plötzlich mitten auf der Kellertreppe stand.
Er hatte gar nicht gemerkt, daß er, in Gedanken versunken, weitergegangen war, und er erinnerte sich auch nicht daran, die Tür geöffnet zu haben und Stufen der Wendeltreppe hinabgelaufen zu sein.
Aber er hatte es getan.
Einem ersten Impuls folgend wollte er wieder nach oben steigen. Bis ihm auffiel, was hier unten anders war. Nicht nur das Licht, das eine andere Quelle zu haben schien wie die nebulöse Helligkeit droben, sondern auch - - die Treppe, die aussah wie eine holzgefertigte Treppe, nicht nur wie eine Requisite ...!
Ein Fetzen Wirklichkeit...
Der Gedanke prägte ein Lächeln um Darrens Mundwinkel. Plötzlich merkte er, wie seine gewohnte Selbstsicherheit zurückkehrte. Es war, als hätte das, was ihn eine ganze Zeitlang mit verständlichen Ängsten und Vorahnungen zugedeckt hatte, plötzlich seine Macht über ihn verloren.
Er straffte sich.
Möglich, daß er sich täuschte. Möglich, daß er in einer Gefahr schwebte, die alles Vorstellbare überstieg. Aber dann würde es ihn auch nicht retten, wenn er kopflos die Flucht antrat. Dann saß er bereits in der Falle.
Langsam setzte er Fuß vor Fuß, wagte sich
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