Der Eden Effekt
sichere Verbindung das Foto einer Frau geschickt. Sie war es wohl, die Schott entführt hat, als er mit Stephanie in Garmisch war. Schott sagt, sie nennt sich Michelle Lee.« Er buchstabierte den Nachnamen. »Kann jemand die Frau überprüfen?«
»Schon geschehen. Sie heißt Mi Chan Li.« Randall buchstabierte den Namen. »Langley hat eine Akte über sie. Skip? Seien Sie vorsichtig! Sie werden verstehen, warum, wenn Sie die Papiere lesen. Sie wurden heute Morgen an das sichere Haus gefaxt.«
»Und die Kurzfassung?«
»Spionage und Mord. Ausgebildet von den Chinesen. Doch Gerüchten zufolge soll sie vor ein paar Jahren alle Verbindungen zum chinesischen Geheimdienst abgebrochen haben. Sie arbeitet jetzt wohl auf eigene Rechnung.«
Was bedeutet das? »Es könnte sich demnach noch eine vierte Partei für das French-Modell interessieren. Oder Mi Chan Li steht doch wieder bei den Chinesen auf der Gehaltsliste.«
»Ich weiß es genauso wenig wie Sie.« Randall räusperte sich. »Schott war also in der Villa? Die Spurensicherung des FBI hat mit Hilfe von Langley alles unter die Lupe genommen. Von dort aus wurde die Aviano Airbase überwacht. Einige der Toten hatten asiatische Gesichtszüge, aber um ihre genaue Herkunft zu bestimmen, haben die Gerichtsmediziner Isotopenuntersuchungen der Knochen durchgeführt. Keiner der Männer hat jemals in Ostasien gelebt. Die Ergebnisse weisen auf europäische und amerikanische Ernährungsweisen hin.«
»Verstehe.« Skip runzelte die Stirn. »Aber wer steckt dahinter?«
»Wissen wir nicht.«
Skip kroch zu dem Fernrohr hinüber.
»So, Mark, zuerst Stephanie und dann Mi Chan Li. Sie sollten sich in Zukunft mit Frauen treffen, die ein anderes Format haben.«
Er dachte kurz nach. »Wenn Li auf eigene Rechnung arbeitete, dann mit Sicherheit im Auftrag eines anderen.« Könnte es jemand sein, der sich für das Journal of Strategic Assessment interessiert? Oder jemand mit Verbindungen zu ECSITE?
Skip rutschte ein Stück zur Seite, nahm das schwere Swarovski-Fernglas mit fünfzehnfacher Vergrößerung in die Hand und beobachtete die Stadt. Nach knapp fünfzehn Minuten entdeckte er Lis Wagen.
»Schon auf der Jagd?«
Kurz darauf hörte er das Dröhnen eines kleinen Flugzeugs. Skip sah, dass Li aus dem Wagen stieg, den Blick nach Norden wandte und sich eine Hand über die Augen hielt. Als sich das Flugzeug näherte, griff Li zu ihrem Handy. Während sie sprach, beobachtete sie das Flugzeug, das über das Tal hinwegflog.
Skip legte das Fernglas wieder aus der Hand und versuchte verzweifelt, das Fernrohr zu schwenken, auf dem Dach hinter dem Schild war es zu eng dafür. Durch das Fernglas konnte er das Flugzeug gut erkennen, das Fabrikat und das Modell jedoch nicht zuordnen. Die Zulassungsnummer war überklebt. Das Ding flog über den Firmenkomplex hinweg und drehte dann Richtung Garmisch ab.
Skip richtete das Fernglas auf Li. Sie stand neben ihrem Wagen. Ihr langes schwarzes Haar schimmerte in der Morgensonne. Jetzt war ihr Blick nach Süden gerichtet. Keine zehn Minuten später kehrte das Flugzeug zurück und flog wieder über das Firmengelände hinweg. Skip beobachtete Li, die telefonierte und immer wieder nickte. Als das Dröhnen in der Ferne verstummte, warf Li ihr langes Haar zurück, steckte das Handy in die Tasche und stieg wieder in den Wagen.
War sie auf der Jagd nach Mark Schott? Oder jagte sie jemand anders?
An diesem Nachmittag kamen die ersten Gerüchte auf. Anika war dabei, Umweltdaten zu kategorisieren, um diese anschließend mit geografischen Zonen in Beziehung zu setzen. Wenn Kasperski von ihr verlangte, die Zukunft vorherzusagen, würde sie eine Kristallkugel aus dem Ärmel zaubern müssen.
Was würde den Zusammenbruch auslösen? Könnte es ein Ereignis sein, das mit dem Klima zu tun hatte, wie zum Beispiel eine Dürre? Oder ausgiebige Regenfälle, in deren Folge das Korn auf den Feldern verrottete und ausgedehnte Ackerflächen überschwemmt wurden? Ein früher Frost, der die Ernte zerstörte? All diese Ereignisse würden sich unterschiedlich auswirken, je nachdem, ob sie sich in Indien, Ostasien, Europa oder Nordamerika ereigneten.
Von allen Variablen war die des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die Landwirtschaft am schlechtesten vorhersagbar. Paläoklimatische Forschungen hatten immer wieder bewiesen, dass Meeresströmungen, Winde und Regenfälle sich nicht graduell veränderten. Das Muster wechselte von einem stabilen Zustand zum anderen, als würde
Weitere Kostenlose Bücher