Der Eden Effekt
»Ms French, würden Sie sich das bitte mal ansehen? Sie haben gesagt, dass Sie bei Dr. Schott promoviert haben, und ich habe Ihr Modell an der Wand gesehen. Könnten Sie mir sagen, was er mit dem Artikel bezwecken wollte?«
»Was er damit bezwecken wollte?« Anika nahm den Artikel entgegen, den Maureen ihr reichte, setzte sich hin und überflog die Titelseite. Journal of Strategic Assessment. Der Zusammenbruch des Nationalstaates. Ein prognostisches statistisches Modell.
Als sie umblätterte, fand sie ihre erste Statistik und dann die nächsten. Hektisch blätterte sie durch den Artikel und erkannte ihre Arbeit wieder. Schließlich blätterte Anika zurück zur Titelseite, wo Mark Schott als Autor genannt wurde. Sein Name war fett gedruckt und sprang sofort ins Auge.
»Das verstehe ich nicht. Das ist meine Arbeit, aber das habe ich nicht geschrieben.«
In Anika stieg unbändige Wut auf. Die fehlende Variable. Mark, du Mistkerl!
Mark Schott schaute hinunter auf unterschiedlich große grüne Felder, Baumgruppen, die wie in einem Garten in Reihen gepflanzt waren, gewundene Straßen und hübsche bayerische Dörfer, in denen die Häuser mit roten Ziegeln gedeckt waren. Der Airbus ging im Anflug auf den Flughafen München in die Kurve.
Mark war schrecklich aufgeregt. Es passierte wirklich. Und er flog erster Klasse!
Er konnte es kaum glauben. Mark hatte immer gehofft, dass er zum Zeitpunkt seiner Emeritierung eine Professur an einer der großen Universitäten innehaben würde. Er hatte von Harvard gesprochen, doch eine der anderen Eliteuniversitäten hätte ihm auch gefallen. Auf das, was jetzt geschah, hatten seine kühnsten Träume ihn nicht vorbereitet.
Mark spähte zu Simon Gunter hinüber, der kerzengerade auf dem dick gepolsterten Sitz am Gang saß. Er war in Gedanken versunken und starrte mit seinen braunen Augen auf die Trennwand vor ihm.
Der lange Flug mit Gunter war kein Vergnügen gewesen. Man hätte ihn auch als »konversationsgestört« bezeichnen können. Zu Marks Verwunderung besaß Gunter keinen Sinn für Humor. Er mochte keine Scherze und zeigte kein Interesse daran, über die attraktiven Flugbegleiterinnen zu sprechen, die ihnen jeden Wunsch von den Augen ablasen. Sie hatten Mark reichlich teuren Champagner serviert.
Mark war noch nie erster Klasse geflogen. Professoren fielen nicht in die sozioökonomische Gruppe, die das tat. Wenn das ein Indiz für die Richtung war, die sein Leben jetzt nahm, war er sehr zufrieden.
Der große Airbus senkte die Flughöhe und flog wie ein Gott vom Himmel hinab.
Die Landung war perfekt. Danach rollte der Airbus eine Ewigkeit, bevor er am Gate hielt. Mark nahm seine Tasche und zog sein Jackett an, das die lächelnde Flugbegleiterin ihm reichte. Er blinzelte ihr zu, was sie mit einem professionellen Lächeln zur Kenntnis nahm.
»Ein Wagen wartet auf uns«, sagte Gunter. »Wir treffen uns auf der anderen Seite der Passkontrolle. Haben Sie die Papiere, die ich Ihnen gegeben habe?«
Mark legte kurz eine Hand auf seine Brusttasche. »Es ist alles hier.«
»In Ordnung. Machen Sie keine Scherze! Seien Sie ganz nüchtern! Diese Leute haben keinen Sinn für Humor.«
Und das ist ausgerechnet dir aufgefallen?
Es lief alles reibungslos. Mark folgte den Anweisungen, machte keine Scherze, beantwortete die Fragen und bekam den Einreisestempel. Gunter wartete bereits auf ihn. Marks Gepäck mit dem grünen Anhänger wurde nicht einmal kontrolliert, als er dem Beamten seine Zollerklärung gab. Er folgte Gunter durch den Ausgang ins Freie.
Ein Mann in einem Anzug und eine Frau in einem Kostüm, die am Rande der Menge warteten, kamen auf sie zu. Sie waren beide mittelgroß, und Mark schätzte sie auf Mitte dreißig. Er schaute sich die Frau mit der perfekten, sportlichen Figur und dem federnden Gang genauer an. Sie hatte ihr blondes Haar hochgesteckt, sodass er nicht sehen konnte, wie lang es war. Als er einen guten Blick auf ihr hübsches Gesicht, die vollen Lippen und die strahlenden blauen Augen erhaschte, übernahm das limbische System die Vorherrschaft in seinem Gehirn.
Umwerfend! Hoffentlich ist sie nicht Gunters Freundin.
Während Mark sich bemühte, sie nicht wie ein Idiot anzustarren, lächelte die Frau Gunter an und wechselte ein paar Worte mit ihm auf Deutsch. Gunter antwortete ihr und drehte sich zu Mark um. »Dr. Schott, das ist Stephanie Huntz. Sie wird Ihnen helfen, sich bei ECSITE einzuleben. Wenn Sie Fragen haben oder irgendetwas brauchen, können Sie auf
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