Der Eden Effekt
aus der Klimatologie. Er beschreibt den Punkt, ab dem ein System nicht mehr in seinen früheren Zustand zurückkehren kann. Der Punkt ohne Wiederkehr, in dessen Folge sich ein neues System herausbildet.«
»Dies habe ich auf alte Kulturen angewendet. Nach meinen Forschungen sind Gesellschaften nach denselben Mustern aufgebaut wie natürliche Systeme. Wie beim Klima haben auch sie Kräfte und Energien, die die Richtung vorgeben, die eine Gesellschaft in ihrer Entwicklung nehmen wird. Das kann Kultur, Umwelt, das Klima, das Militär, die Wirtschaft und andere Bereiche betreffen. Sobald die Gesellschaften den Umkipppunkt überschritten haben, treibt die Trägheit sie voran. Sie können nicht mehr zurück. Es ist verblüffend.«
Dr. Cole musterte sie mit ruhigem Blick. »Aber Menschen haben die Fähigkeit zu wählen. Führer, vor allem solche mit messianischen Zügen, können die Richtung ganzer Gesellschaften verändern.«
»Und unter Berücksichtigung innerer und äußerer Kräfte, die auf die Gesellschaft einwirken, kann ich eine statistische Prognose ihres voraussichtlichen Erscheinens treffen. Wenn der charismatische oder messianische Führer aufsteigt, ist es ein Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft bereits den Umkipppunkt überschritten hat. Denken Sie an Deutschland in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die Unsicherheiten in der Weimarer Republik, die Depression, all das waren Kräfte, die Adolf Hitler an die Macht gebracht haben.«
Maureen war furchtbar angespannt. »Der Titel des Artikels lässt darauf schließen, dass das Modell für die heutige Welt von Nutzen sein könnte. Haben Sie getestet, ob es auf moderne Gesellschaften anwendbar ist?«
»Nein«, erwiderte Anika mit skeptischem Blick. »Nein, das habe ich nicht.«
»Warum hat Dr. Schott angedeutet, es wäre der Fall?«
Anika rieb sich über die Stirn. »Wir haben eines Abends darüber gesprochen. Er meinte, ich sollte es tun.« Sie verstummte kurz. »Ich entschied mich dagegen.«
»Warum?«
»Ich hatte Angst vor dem, was ich herausfinden würde, Dr. Cole.«
»Ich verstehe.«
»Ja?«
»Weil Sie zu beängstigenden Ergebnissen kommen könnten?«
Anika lachte freudlos. »Möchten Sie diejenige sein, die aufdeckt, dass die Welt unwiderruflich auf Chaos und Zusammenbruch zusteuert?«
Der stellvertretende Sheriff Steve Moulton überprüfte den Sitz seines Gürtels mit der schweren Automatikwaffe, den Ersatzmagazinen, den Handschellen und dem Schlagstock. Dann strich er den Kragen seines Uniformhemdes glatt und klopfte leise an den Türrahmen.
Bill Gallagher, der Sheriff von Albany County, saß an seinem Schreibtisch. Als es klopfte, schaute er auf und bat Steve herein. »Ich habe den Bericht aus Cheyenne über unser unbekanntes Opfer erhalten. Sie konnten ihn als Paul Albert Fetzer Junior, geboren am 2. Januar 1984 in Providence, Rhode Island, identifizieren. Mr Fetzer hat einen Highschoolabschluss und ging im Juni 2002 zur US-Army. Er leitete Spezialeinsätze, die größtenteils streng geheim waren. 2007 begann er bei Blackwater und diente dort als Führer einer Spezialeinheit. Nach der Auflösung von Blackwater nahm er einen Job in Afghanistan an. Dort setzte er die Interessen eines Stammesfürsten durch, der an einer Reihe von Mohnfeldern beteiligt war. Doch dann wurde der Stammesfürst tot aufgefunden, und Fetzer schien von der Landkarte verschwunden zu sein.« Gallagher hob den Blick. »Bis wir die Leichenteile hier auf unseren Schienen gefunden haben.«
»Verdammt!«
»Ja. Es kommt noch besser, Steve. Die Gerichtsmedizin hat Chemikalien in Fetzers Blut gefunden. Die FTIR-Spektroskopie beweist, dass er zum Zeitpunkt des Todes bewusstlos war. Acetylcholin und Dopamin-Hemmer. Das Zeug muss gespritzt werden, damit es wirkt. In Cheyenne konnten sie die Einstichstelle nicht finden. Vermutlich wurde sie zerstört, als der Zug den Körper überrollt hat. Ach so, und die Leiche weist keine Kratzer, keine Quetschungen, keine Prellungen oder andere Spuren eines Kampfes auf.«
Moulton rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. »Er ist also nicht über die Schienen gelaufen. Jemand hat ihn dorthin gelegt.«
»Ich habe das Police Department in Laramie angerufen. Sie wissen dort nichts über irgendwelche Drogendeals größeren Maßstabs. Keine Gerüchte über ungewöhnliche Vorkommnisse. Hier haben wir auch nichts gehört. Bei Fetzer wurde nichts gefunden außer gefälschten Ausweispapieren, zweihundert Dollar, einem Messer, einer Surefire
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