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Der Ego-Tunnel

Der Ego-Tunnel

Titel: Der Ego-Tunnel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Metzinger
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Bewusstsein besitzen. Was den ersten Teil der Frage angeht, so kann man schon heute eine Traummaschine konstruieren, aber es gibt eine Beschränkung durch den aktuellen Stand der Technik, die das Programm zunächst noch funktionsunfähig macht. Diese Beschränkung besteht in dem Problem, aus einer biographischen Datenbank sprachliche Aussagen zu erzeugen. Als ich mich das letzte Mal mit dem Sprachexperten Roger Shanks unterhielt, sagte er mir, dass dieses entscheidende Stück im KI(Künstliche Intelligenz)-Puzzle nach wie vor fehle. Die Aktivierung von Wahrnehmungs- und Emotionsmodulen wirft keine Probleme auf, und sie lassen sich auch so gestalten, dass sie entweder auf Input und Output ansprechen oder nicht, wie John Antrobus von der City University of New York gezeigt hat. Jede Traummaschine, die heute entwickelt würde, hätte vermutlich eine Betriebsart »Wachzustand«, weil wir uns für die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen diesen beiden Zuständen und die Art und Weise interessieren, wie sie erzeugt werden. Aber theoretisch ist es möglich, eine reine Traummaschine zu entwickeln.
    Der Umstand, dass die Evolution – soweit wir wissen – bislang noch keine reinen Traumtiere hervorgebracht hat, deutet auf einen tiefen, bedeutsamen und funktionalen Zusammenhang zwischen den Wach- und Traumzuständen des Bewusstseins und der Hirnaktivität hin. Wie schon erwähnt, kann man die Behauptung aufstellen, dass die Offline -Aktivierung dem Gehirn im Online -Zustand Vorteile bringt und umgekehrt, ohne dass man eine kausale Verknüpfung zwischen dem bewussten Erleben der beiden Zustände postuliert.
    Metzinger : Anders als in der biologischen Evolution hat der Trauminhalt in der kulturellen Evolution sicherlich einen gewissen Stellenwert, aber es ist nach wie vor fraglich, ob diese Wertschätzung einen echten Anpassungsvorteil mit sich bringt.
    Hobson : Viele Kulturen haben Träumen einen »prophetischen« Sinngehalt beigelegt. Unter Wahrsagern und Propheten ist die Ansicht weit verbreitet, dass der Traum eine verschlüsselte Botschaft wichtiger äußerer oder innerer Akteure ist und entschlüsselt werden muss. Diese Entschlüsselung wird von den entsprechenden Kulturen nicht nur als stichhaltiges, sondern auch als bestimmendes Element bei wichtigen bewussten persönlichen und politischen Entscheidungen angesehen. Die Traumdeuter beeinflussten die Entscheidungen von Königen über Krieg und Frieden. Sollten die modernen Psychoanalytiker Patienten dabei helfen, auf der Basis ihrer Träume zu entscheiden, ob sie eine Beziehung fortsetzen sollten oder nicht?
    Ein Problem dieses Denkansatzes ist die religiöse Überzeugung, dass es eine verborgene Wahrheit gibt, die nur Träume enthüllen können. So wird ein Rätsel, das Träumen, dazu benutzt, um ein anderes, die Entscheidungsfindung, zu erklären. Wie Adolf Grünbaum in seiner Diskussion des sogenannten Tally-Arguments (Freuds Übereinstimmungsprinzip) gezeigt hat, kann die Kundenzufriedenheit nicht als wissenschaftliche Rechtfertigung für den Wahrheitswert einer prophetischen Behauptung oder eines Systems der Traumdeutung herangezogen werden.
    Es könnte durchaus sein, dass Träume das kognitive Repertoire eines Menschen im Umgang mit Emotionen enthüllen, aber diese sind im Wachzustand auch nicht besonders schwer zu erkennen. Die weitergehende Behauptung der Psychoanalyse, die Traumdeutung decke verborgene Zusammenhänge zwischen Kognition und Emotion auf, entbehrt jeder wissenschaftlichen Beweisgrundlage.
    Metzinger : Mich interessiert besonders der Übergang zwischen gewöhnlichen Träumen und Klarträumen. Was sind die notwendigen und hinreichenden Bedingungen im Gehirn dafür, dass Luzidität eintritt? Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach dabei der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC)?
    Hobson : Die gelegentliche Einsicht, dass man gerade träumt, ist ein äußerst informatives Detail der modernen Traumforschung. DerUmstand, dass sich eine solche Einsicht fördern lässt, indem man das Klarträumen systematisch übt, macht die Sache aber erst richtig interessant. Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass der Bewusstseinszustand, der mit der Hirnaktivierung im Schlaf einhergeht, sowohl plastisch als auch kausal wirksam ist. Er ist plastisch, weil gelegentlich selbstreflexive Bewusstheit spontan entsteht und weil ihre Häufigkeit – und ihre Stärke – durch Übung gesteigert werden kann. Er ist kausal wirksam, weil Luzidität verstärkt werden

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