Der Ego-Tunnel
kann, um Szenenwechsel in Träumen herbeizuführen und sogar das Aufwachen zu befehlen, so dass man sich besser an die zeitweilige Kontrolle über die Traumhandlung erinnern und diese umso mehr genießen kann. Meiner Überzeugung nach ist Luzidität real, wirkungsvoll und informativ.
Was den dritten Punkt betrifft, so wissen wir dank Stephen LaBerge bereits, dass Luzidität im REM-Schlaf vorkommt, und wir können vorhersagen, dass in luziden REM-Schlaf-Träumen unter Umständen der DLPFC, der selektiv deaktiviert ist, erneut aktiviert wird, so dass die ponto-thalamische Traumvorführung bewusster Kontrolle unterworfen wird. Ich glaube, dass diese Hypothese, die man ja überprüfen kann, die Antwort auf viele fundamentale neurobiologische und philosophische Fragen enthält, etwa nach der Beziehung zwischen Hirnaktivität und Bewusstsein und der Kausalität von Bewusstsein – der Willensfreiheit. Falls meine Vorhersage zutrifft und der DLPFC tatsächlich bei Klarträumen reaktiviert wird, während die ponto-thalamokortikale Traumvorführung weitergeht, dann existiert das von Daniel Dennett so verachtete kartesianische Theater tatsächlich. Ein Teil des Gehirns – der Sitz des ausführenden Ich – erwacht und beobachtet, ja lenkt sogar die Traumshow, die durch die Aktivierung von Pons, Thalamus, Kortex und des limbischen Systems auf den Bildschirm des Bewusstseins projiziert wird. Sie werden sich vor Kummer verzehren, Daniel Dennett!
Die Flüchtigkeit und Störanfälligkeit des Klartraumzustands belegen seine Unwahrscheinlichkeit und seine nicht-adaptive Natur. Der luzide Traum verlangt auch die besondere Aufmerksamkeit,die alle aufschlussreichen Raritäten dieser Art verdienen. Leider ist es unwahrscheinlich, dass ihm diese Aufmerksamkeit widerfahren wird. Das liegt daran, dass die Experimente schwer auszuführen sind und es keinerlei Garantie für einen wissenschaftlichen Erfolg gibt. Dies wäre schon für viel trivialere Experimente in der kognitiven Neurowissenschaft ein Hindernis, aber Klarträume haben einen schlechten Ruf, weil (a) viele Wissenschaftler noch immer nicht glauben, dass es sie wirklich gibt, (b) viele Wissenschaftler den Daten LaBerges über das Auftreten von Klarträumen im REM-Schlaf misstrauen und (c) viele sich nicht näher mit dem Problem des Klartraums befassen wollen, weil sie befürchten, als Spinner abgestempelt zu werden! Sie, Thomas Metzinger, sollten diese Sorge gut verstehen können.
Metzinger : Nun, ich weiß ganz genau, was Sie meinen. Die richtige Strategie bestünde nicht darin, solche Gebiete für tabu zu erklären, sondern sie mit vorurteilsloser, unvoreingenommener wissenschaftlicher Vernunft zu erkunden. Wenn wir realistisch sein wollen, dann müssen wir allerdings auch zugeben, dass ein grundlegendes Problem darin besteht, dass das aufstrebende Gebiet der Bewusstseinsforschung nicht von philosophischen Heiligen bevölkert wird, die nach Selbsterkenntnis um ihrer selbst willen streben. Es wird mindestens genauso stark von dem bestimmt, was ich manchmal die »teflonbeschichteten Darwin-Maschinen« der akademischen Welt nenne – von knallharten individuellen Karriereinteressen, vom Kampf um Geld und Aufmerksamkeit. Wissenschaftler sind eben auch selbsterhaltende, jedes unnötige Risiko scheuende Ego-Maschinen. Leider tut sich gegenwärtig im Bereich der Klartraumforschung noch nicht genug.
Hobson : Meiner Meinung nach – die allerdings nicht von vielen geteilt wird, nicht einmal von Thomas Metzinger – müssen wir an einer Wissenschaft der Subjektivität arbeiten. Um Erste-Person-Daten verwerten zu können, müssen wir umsichtig und flexibel vorgehen. Wir müssen von vielen Individuen in vielen Zuständen Berichte über bewusstes Erleben sammeln. Diese Berichte müssen streng quantifiziert werden, und die Zustände, mit denen sieverbunden sind, müssen objektiviert werden. Die Gehirnzustände müssen mit dem gesamten Spektrum von Techniken wie PET und Magnetresonanztomographie (MRT) bei Menschen, zellulären und molekularen Sonden bei Tieren, Verhaltenstests bei Menschen und anderem umfassender charakterisiert werden.
Wer wird all dies tun? Soweit ich weiß, bin ich die einzige Person in der Welt, die das auch nur probiert hat. Ich sage dies mit aller gebotenen Bescheidenheit und aufrichtiger Selbstkritik. Ich bin stolz auf meine Leistungen, aber ich kann auch verstehen, dass man meine Arbeit für vergebliche Mühe hält. Im Grunde genommen steht der von mir
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