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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Reichtum und Kapital innerhalb der Stämme. Bray sagte: »Das alles wirst du ändern müssen. Laß dort Rinder auf kommerzieller Basis züchten. Dann wirst du in der Lage sein, die Fleischimporte aus dem Süden zustoppen. Und es wird sich als unwirtschaftlich erweisen, das Zeug hier herunterzutreiben – damit hast du einen guten Grund, Straßen anzulegen.«
    Mweta fing an, sich von ihrer Unterhaltung Notizen zu machen. »Ich will mit dir da rausfahren, um mich mal richtig umzusehen. Irgendwann im nächsten Monat fliege ich nach Gala, und dann fahren wir hinauf. Und später im Jahr fahren wir noch an den See. Vielleicht kann ich Joy und die Kinder mitnehmen, und wenn Olivia da ist, können sie ein paar Tage Urlaub machen, während du und ich – da ist dieses Haus für mich, weißt du, ich war noch nie da …« Die Fischereigesellschaft hatte dem Präsidenten um die Unabhängigkeit herum ein »Sommerhäuschen« am See geschenkt. »In der Zwischenzeit wirst du mir schreiben, James, ja? Dann und wann einen Brief. Laß von dir hören. Wir dürfen den Kontakt zueinander nicht verlieren.«
    Er bestand darauf, daß Bray für den Rest der Woche in der Hauptstadt blieb. »Komm zum Dinner. Zu dem mit den weißen Geschäftsleuten. Ich werde es Asoni sagen.« Mweta warf seinen Kopf zurück, und seine Schultern hoben sich unter einem Lachen. »Weißt du, was die wissen wollten? Ob sie für mich ein eigenes Klo bauen sollten.« Die PIP hatte einmal politisches Kapital aus der Tatsache geschlagen, daß für die Königliche Hoheit ein eigenes Klohäuschen gebaut worden war, als ein unbedeutendes Mitglied des Königshauses das Land besuchte. Man hatte nicht gezögert, darauf hinzuweisen, daß dieses kleine Gebäude teurer war als ein Haus jenes Typs, der einer schwarzen Familie im Eingeborenenviertel unten zur Verfügung stand. Während sie lachten, fiel Bray wieder ein, daß das Shinzas Idee gewesen war; Shinza hatte einen sicheren Instinkt für den konkreten Punkt, wie geringfügig auch immer, und er wußte, wie man den Gegner lächerlich und moralisch verwerflich erscheinen ließ.
     
    Als er wieder im Silver Rhino war und zum Empfangspult ging, um seinen Schlüssel zu holen, stand Bray da wie ein Mann, der sich plötzlich mitten in einem Stück, von dem er überhauptnichts weiß, auf der Bühne wiederfindet: Hjalmar Wentz und seine Tochter rannten in dem kleinen Käfig, der durch Pult, Schreibtisch und Safe gebildet wurde, aufgeregt auf und ab und aneinander vorbei. Hjalmar zögerte und grüßte Bray, aber das Mädchen befand sich in einem Zustand leidenschaftlicher Erregung: »Möchte den Himmel anflehen, daß du endlich mit dem Generationskonflikt aufhörst, das ist alles. Zeug, das du aus den englischen Zeitungen hast. Es hat überhaupt nichts mit den Generationen zu
tun
.« Hjalmars dünnhäutiges Gesicht mit den blonden Haaren war entlang den Jochbeinen und unterhalb der Haarsträhnen auf der Wölbung seiner Stirn gerötet. Ihre schwarzen Augen glänzten mit dem Schimmer eines Leuchtfeuers über nächtlichem Wasser, beim Atmen entstanden oberhalb der Schlüsselbeine Löcher. Sie schob Briefe zu einem Stoß zusammen und ging hinaus; als sie die Klappe des Empfangspults hochhob und ihre kleine, ausrasierte Achselhöhle, die vom Schweiß benetzt war, dem Blick preisgab, fing Bray den Geruch des Ärgers auf.
    Emmanuelle hatte vom Plan ihrer Eltern, Ras Asahe zu bitten, in ihrer Angelegenheit bei der Brauerei zu intervenieren, gehört. »Gott allein weiß, wer es ihr gesagt hat«, sagte ihr Vater, und Bray begriff, daß Hjalmar außer ihm schon vielen Leuten davon erzählt haben mußte. Das Unglaubliche daran war, daß sie nicht wütend war, weil sie überhaupt daran gedacht hatten, Ras Asahe einzuschalten, sondern weil sie gezögert hatten, es zu tun, Angst davor gehabt hatten, es ihr vorzuschlagen … das machte sie rasend. Sie hatte gegen sie gewütet, »weil sie alle verrückt machten«, obwohl sie die ganze Zeit gewußt hatten, daß etwas unternommen werden konnte. Zu ihrem Vater hatte sie gesagt: »Bei deinen Skrupeln könnte mir schlecht werden.« Er sagte zu Bray: »Natürlich müssen Kinder sich durchsetzen, das läßt sich nicht vermeiden, und in jeder Generation ist die Form der Opposition, die das annimmt, für die Eltern immer absolut unbegreiflich.«
    Die Reaktion darauf hatte Bray gehört. Er sagte: »Auf alle Fälle sollten Sie weitermachen und sehen, was Sie mit Hilfe von RasAsahe ausrichten können«, aber er

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