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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Urteil unter dem Einfluß von Alkohol zustande kommt. Er gab eine Antwort auf etwas, das gar nicht zur Debatte gestanden hatte; Mweta konnte sie als verschlüsselte Botschaft ansehen: »Wenn nur dieses Bildungszeug von mir brauchbar ist.« Und Mweta ließ ihn reden. »Schließlich bin ich kein Experte, ich halte mich daran, was ich als notwendig ansehe, es ist eine sehr hausgemachte Art Pragmatismus, und dazu kommt noch, daß ich mich an der Erziehung orientiere, wie ich sie kenne. Aber sollte man nicht praktischer arbeiten? Muß die Bevölkerung am See unbedingt Rechtsanwälte hervorbringen? Wie wäre es mit Fischern, die lesen und schreiben können und dadurch in der Lage sind, ihre eigene Kooperative, angefangen von den höchsten Verwaltungsposten bis hinunter zur Kontrolle der Fischgründe, zu führen? Wenn wir nichts haben, wenn wir ganz von vorne anfangen, können wir dann nicht den alten Erziehungszielen ausweichen? Ich wünschte, ich wüßte mehr. Ich habe das Gefühl, die Antwort ist ebensosehr irgendwo in denUnterrichtsmethoden zu suchen wie in der Organisation. Von beidem verstehe ich nicht genug.«
    Das Gespräch kreiste nun um die Fischereikommunen, denen Bray einen Besuch abgestattet hatte. Bray kritisierte die Vertragsbedingungen der neuen Konzession, ohne noch einmal auf den Jungen, der dafür, daß er das getan hatte, eingesperrt worden war, zurückzukommen, und beim Zuhören zuckte Mweta mit den Wimpern wie ein Mann, für den Worte Geißelhiebe sind, Schläge und Waffen, die der eigene Leib zu spüren bekam und die man dem Leib von anderen zu spüren gab. Er stimmte zu, daß die Konzession – soweit es um eine unmittelbar spürbare Besserstellung der Fischer ging – gegenüber den Zeiten der Kolonialherrschaft kaum einen Fortschritt bedeutete, meinte aber, daß die erhöhten Lizenzen sie rechtfertigten. »Fünf Jahre, James. Fünf Jahre sind gar nichts. Dann aber werden wir in einer weit besseren Position sein und die Fischindustrie nicht als etwas Isoliertes übernehmen, sondern als Teil der gesamten Erschließung des Seegebiets. Ich erhoffe mir ein Fünfzehn-Millionen-Darlehen oder eine Straße da hinauf, wobei ein Teil des Geldes von der Gesellschaft selbst kommen soll und der Rest von den Ländern, die die Gesellschaft vertritt. Dann werden unsere Fänge nicht mehr mit wenig Profit seeaufwärts gehen, sondern hier herunter und auf die Märkte im Süden.«
    »Die Fischer müssen warten.«
    Mweta stimmte zu und sagte: »Ich weiß. Aber das müssen wir eben die ganze Zeit tun – den Mittelweg finden. Ich will nicht, daß irgend jemand eine ganze Generation lang warten muß, das ist alles. Das ist es, was ich uns zum Ziel gesetzt habe.«
    »Traurig ist bloß, daß es da Vorbeugehaft geben wird, um mit der Ungeduld fertig zu werden.«
    »James«, sagte Mweta. Er hatte sich wieder gesetzt; er beugte sich vor und legte seine Hand auf Brays großes Knie. »Dazu wird sie nicht gebraucht werden. Das verspreche ich dir. Diese Absicht hat nicht dahintergesteckt.« Er lehnte sich zurück. Sein Gesicht glänzte wie das von schwarzen Schulkindern, die Bray gesehenhatte, angespannt von Eifer und Wißbegierde. Bray empfand die Korruption der Erfahrung; vielleicht geschehen die Dinge hier, wie sie geschehen, weil wir aus der Alten Welt diese nicht mehr unbefleckte Sicherheit mitbringen, daß nichts anderes möglich ist. Er sagte: »Wenn das Gesetz mal da ist, wird es unmöglich, es nicht anzuwenden.«
     
    In den alten Tagen hätten sie sich zu Eintopf und Brot und zu Joys starkem Tee niedergesetzt, oder hätten gar nicht gegessen, bis sie die Zeit zu einem solchen Mahl gehabt hätten, aber Mweta hatte zusammen mit Nächten, die an Bord von Flugzeugen zu Tagen wurden, und mit der Verwandlung jeder Stunde des Tages in eine Arbeitsstunde auch die faden Imbisse akzeptieren müssen, die der Treibstoff eines solchen Lebens sind. Sie aßen Sandwiches und tranken Kaffee vom Tablett, und während sie die Brotdreiecke wie Arbeiter herunterspülten, diskutierten sie über Mwetas Minister. Mweta vertraute Bray seine Zweifel an, und Bray äußerte seine Beobachtungen; beide hätten diese Dinge niemand anderem gesagt. Mweta wollte Talisman Gwenzi noch immer das Finanzministerium geben, denn er war ein besserer Ökonom als Jason Malenga und im allgemeinen viel klüger, aber wer sollte dann das Bergbauministerium übernehmen, wer verstand wie Gwenzi, daß es dabei auf der einen Seite um ein Verständnis internationaler

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