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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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ganz Zentralafrika nach Einbruch der Nacht von irgendeinem Busch aufsteigt. Als er die Tabakversteigerungshalle erreichte, wo das Golden Plate Dinner gegeben wurde, war es dunkel. Er hatte eigentlich nicht hingehen wollen – Mweta hatte ihn mit der Einladung ein wenig in Verlegenheit gebracht –, aber die Wagen, die sich auf dem Gelände versammelten, die weißen Hemden und farbenfrohen Kleider, die er im Scheinwerferlichteinfing, und die gestreifte Markise über dem Hauseingang mit den goldbetreßten Türstehern davor erzeugten von selbst eine Art simpler Vorfreude. Der warme Kartoffelgeruch und die Mischung aus schwarzen und weißen Gesichtern inmitten der Herde, die in Abendgarderobe zum Eingang drängte, waren für ihn Beweis genug, daß es sich hier nicht bloß um eine weitere für die Hauptstadt typische Zusammenkunft handelte – das war Afrika, und diesmal waren die Schwarzen die Ehrengäste, die man mit einer Verbeugung und einem Lächeln empfing. Ein Gefühl der Befriedigung war da – naiv, das wußte er; aber egal – in diesem offensichtlichen und letztlich unwichtigen Aspekt des Wandels. Es spielte für die Schwarzen keine Rolle mehr, ob Weiße mit ihnen zu essen wünschten oder nicht; sie selbst stellten jetzt die regierende Elite, und die Weißen waren es, die um die Ehre ihrer Gesellschaft bitten mußten. Fünfzig Pfund pro Kopf für eine Eintrittskarte; er wartete in der Schlange hinter einem Engländer mit Glatze und rostrotem Gesicht und einem lebhaften, untersetzten Schotten und deren blonden Frauen sowie einer schwarzen Dame, wahrscheinlich der Frau eines untergeordneten Beamten, die artig ihre Uniform aus Dekolleté und Perlen angelegt hatten. Sie roch beinahe klinisch nach Eau de Cologne. Der schwarze Bürgermeister und der weiße Präsident der Handelskammer begrüßten zusammen die Schlange der Gäste und waren beide gleich salbungsvoll.
    Man hatte sich für die Tabakversteigerungshalle entschieden, weil nicht einmal der Flamingo-Saal des Great Lakes Hotel groß genug gewesen wäre, um die erwarteten Gäste fassen zu können. Die nackten Wände waren hinter roter Baumwolle versteckt; ein riesiges Farbposter von Mweta hing inmitten der Golddraperien über dem Podium, wo die wichtigsten Würdenträger ihre Sitzplätze hatten; Steckarrangements aus chemisch eingefärbten Lilien und vergoldeten Blättern standen zwischen den langen Tischen und an den vier Ecken eines eigens konstruierten Tanzbodens, der wie ein Boxring aussah.
    Das perfekte Spiegelbild des vulgären städtischen Geschmackswurde durch den heimeligen und delikaten Duft von Tabakblättern gemildert, von dem das Haus durchdrungen war und der sich gegen den Essensgeruch und das Parfum der Frauen durchsetzte. Bray fiel er auf, als er seine Gedanken während der Ansprachen schweifen ließ. Der Bürgermeister sprach, der Präsident der Handelskammer sprach, ein prominenter Industrieller sprach, der Vorsitzende der größten Bergbaugesellschaft sprach. Während des Pampelmusen-Cocktails, des Flußfischs in weißer Soße (
Tilapia Bonne Femme
, wie es auf der mit bunten Buchstaben beschrifteten Speisekarte hieß) und irgendeiner Art Rindfleisch, das offenbar frisch von den Bashi heruntergebracht worden war (
Bœuf en Casserole aux Champignons
), saß er zwischen Mrs. Justin Chekwe, der Gattin des Justizministers, und Mrs. Raymond Mackintosh, der Gattin eines Versicherungsmannes, einem der letzten weißen Stadträte, die im Amt verblieben waren. Die weiße Matrone, die wie eine Touristin unbedingt ihre gerade gelernten Phrasen loswerden wollte, um damit zu demonstrieren, wie sehr sie sich zu Hause fühlte, beugte sich vor, um an ihm vorbei die schwarze Matrone anzusprechen: »Mrs. Mweta sieht so jung aus, nicht wahr? Was für eine Verantwortung, in ihrem Alter. Ich würde damit sicher nicht fertig werden. Sieht der Saal nicht wunderhübsch aus? Es kommt einem gar nicht zu Bewußtsein, wieviel wirklich harte Arbeit in diesen Festvorbereitungen steckt – Sie hätten unsere Vorsitzende, Mrs. Selden Ross, sehen sollen, wie sie, oben auf einer Leiter, Nägel eingeschlagen hat.« Zu Bray gewandt, fügte sie mit gesenkter Stimme hinzu: »Wir haben das ganze Zeug den Indern aus der Nase gezogen, wissen Sie.« Mrs. Chekwe, mürrisch vor Schüchternheit, Nacken und Kopf gestützt vom Fleischpolster, das durch ihre Korsage in die Höhe gedrückt wurde, wußte nicht, was sie mit dem Fisch anfangen sollte, weil sie – im Gegensatz zu Bray und Mrs.

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