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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Mackintosh, die mehr Erfahrung besaßen – ihren Abscheu nicht überwinden und ihn nicht essen konnte. »O ja«, murmelte sie, und wieder: »O ja?«, wobei sie den Tonfall hin zu einer höflichen Frage variierte. Während der zehn Minuten Aufmerksamkeit, die er Mrs.Chekwe widmete, dachte er, daß es vielleicht besser wäre, sich mit ihr auf gala zu unterhalten, kam dann aber zu dem Schluß, es könnte falsch aufgefaßt werden, einerseits (von Mrs. Mackintosh) als Angeberei und Anbiederung bei den Schwarzen, und andererseits (von Mrs. Chekwe) als Herablassung und Andeutung, ihr Englisch sei nicht gut. Er wußte immerhin, daß sie aus der nördlichen Provinz kam, und es gelang ihm, mit ihr nicht allzu stockend über die Veränderungen in der Stadt Gala und das Schicksal verschiedener Mitglieder ihrer Familie zu plaudern. Mrs. Mackintosh war gesprächig, eine jener energischen Damen aus den Kolonien – »Mich wirft so leicht nichts um«: Sie bezog sich natürlich auf ihre Probleme als Mitglied des Frauenkomitees, schenkte ihm aber einen augenzwinkernden Blick, der die gegenwärtige Gesellschaft in einem Aufwasch mit einbezog. Sie wußte nicht, wer er war; das Kuriose war die Tatsache, daß Leute wie er und sie einander in Zeiten der Kolonialherrschaft nie begegnet wären, unwiderruflich getrennt durch seinen Standpunkt, die Schwarzen seien die Eigentümer ihres Landes, und dem ihren, sie seien eine Rasse von Dienern mit guten Herren. Nun waren sie durch die Schwarzen selbst zusammengeführt worden, der eigentlichen Ursache des Streits, wobei seine Anwesenheit das Ergebnis einer langen Freundschaft war und die ihre das ebenso natürliche Ereignis jenes Willens, sich anzupassen, um zu überleben – in wirtschaftlicher Hinsicht, wie sich versteht; ihr Fleisch und Blut waren niemals in Gefahr gewesen. Sie akzeptierte eine Regierung von Schwarzen ebenso wie Ameisen im Zucker und die Pflicht, vorbeugend Medikamente gegen Malaria einzunehmen.
    Er war an den Ehrentisch gesetzt worden, aber an dessen Ende – ein Name, der eingefügt worden war, nachdem man die Sitzordnung bereits bestimmt hatte. Der Industrielle sprach von der großen neuen Autofertigungshalle eines britisch-amerikanischen Konsortiums, mit der Arbeitsplätze für fünfhundert Arbeiter geschaffen würden, und stellte fest, daß eine stabile Regierung und »vernünftige« Bedingungen für ausländische Investoren jenes Kapital ins Land zogen, das Nachbarstaaten mit ihren»unmöglichen« Restriktionen gegenüber ausländischem Aktienbesitz und den »wilden Forderungen« nach Verstaatlichung der Industrie den Rücken kehrte: »Hier werden die Industrie und die Nation Hand in Hand in die Zukunft gehen.« Sir Reginald Harvey, der Vorsitzende der Goldminengesellschaften, sprach im Ton bescheidenen, patriarchalischen Stolzes und »erlaubte sich«, kühn zu sagen, daß die Bergbauindustrie, deren Geschichte bis zurück vor die Jahrhundertwende reiche, »in diesen Teil Afrikas den ersten Schimmer der Hoffnung trug – nach Jahrhunderten der Ausplünderung und der durch den Sklavenhandel bedingten wirtschaftlichen Stagnation. Auf der Basis des goldhaltigen Gesteins, das damals, in den neunziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, entdeckt wurde, ist der moderne Staat von heute gegründet worden …« Er brauchte nicht einmal zu erwähnen, daß vierzig Prozent des Nationaleinkommens aus den Minen stammten; jeder im Saal war sich dieser Tatsache ebenso selbstverständlich bewußt wie des Umstandes, daß am Morgen die Sonne wieder aufgehen würde. Die Bergbauindustrie würde weiterhin neue Betätigungsfelder erschließen … es habe da einen kurzfristigen Rückschlag in der alten Mondo-Mondo-Mine gegeben – aber die unermüdliche Forschungsarbeit, für die die Gesellschaft in ihren Bemühungen um bessere Bohrtechniken und Anhebung der Produktion Jahr für Jahr mehr als eine Million ausgebe, würde es vielleicht bald möglich machen, diese Schwierigkeiten zu überwinden und die Mine wieder zu eröffnen … die Bergbaugesellschaft und die Nation würden gemeinsam in die Zukunft schreiten …
    Der Applaus war ausdauernd und stark und brach wie auf ein Stichwort hin los, wenn der jeweilige Redner den Mund schloß. Schwarze Wangen glänzten, Blut stieg in erregte weiße Gesichter, während in den Köpfen beider Gruppen, davon unbeeinflußt und unberührt, Klarheit darüber herrschte, daß das, was der Industrielle gesagt hatte, bedeutete: »Ihr kriegt unser Geld – aber zu

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