Der Ehrengast
paar alte Mupapabäume streckten dort ihre buckligen Wurzeln in die Straße hinaus; in der Luft lag der Geruch von Lebertran von den Säcken getrockneten
kapentas
und der eigentümliche, süßliche Gestank der Innereien, die in einem Fleischerladen baumelten. Zwei Prostituierte aus dem Kongo, die Köpfe in ihren Turbanen wie Bonbons, saßen auf der Bürgersteigkante und kicherten auf ihre bemalten Fußnägel und goldenen Sandaletten hinunter. Sie blickten auf und lächelten, als er vorüberging. Sie trugen den
pagne
, eine kurze, enge Bluse, die einen kleinen Wulst schimmernder brauner Taille freiließ. Die örtlichen Frauen sahen gegen sie hausbacken und respektabel aus in ihren billigen europäischen Kleidern. Das Treppenhaus im Innern der Wohlfahrtsbehörde hatte Flecken und Pfützen einer Flüssigkeit, in der Ameisen gestorben und Staub getrocknet war, und die Wand bezeugte die Prozession von Menschen, die hier aus dem einen oder anderen Grund ausgeharrt hatten, und die nicht die Obszönitäten der Schreibkundigen, sondern dieungelenken Unterschriftsschnörkel von halben Analphabeten gekritzelt hatten. Leute saßen dicht zusammengedrängt auf einer oder zwei Bänken; der Rest hockte auf dem Fußboden des Flurs und bewegte Beine und Bündel stoisch hin und her, um Platz zu machen. Während er unter ihnen wartete – der einzige Weiße – blickte er aus dem Fenster hinunter auf den Hof, wo sich zumindest noch einmal hundertfünfzig Menschen auf der von vielen Füßen und Körpern festgestampften, bloßen Erde versammelt hatten, unter Bäumen, die von vielen Rücken blankgescheuert waren wie Laternenpfähle. Die im Flur sahen ohne Groll zu, daß er vor ihnen in Mary Odises Raum gewinkt wurde. Sie war ein hübsches Mädchen mit dem Stewardessenchic, den schwarze Frauen in verantwortlichen Jobs oft annahmen. Als sie ihn hereinließ, glitten ihre Augen, rasch die Menge taxierend, über diese hinweg, mit einem Ausdruck, als schätzte sie weniger die Anzahl der Menschen, sondern als würde sie abwägen, welche Last sie dort, auf ihren ausdruckslosen Gesichtern, zu tragen hatten. Ein diagnostizierender Blick. Sie hatte in einem Glas auf ihrem Tisch eine rosa Rose stehen; die abgetretenen Fußbodenbretter waren peinlich sauber, aber die Geruchsspuren von Erbrochenem von Kleinkindern und von schmutzigen Füßen, die kein Schrubben aus einem Raum herausbringen kann, in dem die Armen und Verängstigten empfangen werden, waren da. Das Gerichtszimmer in Gala hatte immer so gerochen.
Er probierte das Dinnerjackett an und maß die Hose an seiner Seite, hüftabwärts, bis hinunter zum Knöchel. Sie hatte eine gutmütige Freude daran, daß beides offenbar paßte. »Die Fliege! Ich hab vergessen, wegen der Fliege zu fragen.«
»Ich kann mir leicht eine kaufen. Es ist sehr freundlich von Ihnen … Sie sind sicher, daß es Ihrem Bruder nichts ausmacht?«
»Er hat zwei und trägt sie nie. Es war einmal seine Arbeitskleidung … er hat eine Kapelle, sie spielen im Great Lakes Hotel. Sie tragen jetzt Silberjacketts, mit blauen Aufschlägen – schrecklich! Und die Reinigungen hier wissen nicht, wie sie sie behandeln sollen. Er wird sie einfach weggeben müssen, wenn sie zu dreckigwerden.« Sie legte den Anzug fachmännisch zusammen und steckte ihn in eine Papiertüte mit der Aufschrift: Ich habe im Red Circle Supermarket Geld gespart.
»Sehr überarbeitet, Mary?«
Sie vermied es peinlichst, mit Beschwerden herauszuplatzen, wie es unter ihren weißen Kollegen üblich war.
»Nicht wirklich. Man kann im Laufe eines Tages nur eine bestimmte Anzahl von Leuten sehen. Und wenn man schneller zu sein versucht, kann man ihnen nicht helfen. Ich bin jetzt dem Arbeitsministerium zugeteilt, und ich kriege all diese Leute herein, die mir das Arbeitsamt schickt.«
»So viele alte Frauen und Kinder – sehen mir nicht gerade besonders anstellungsfähig aus.«
»Die suchen keine Arbeit. Die suchen Verwandte, die auf die Chance hin, einen Job zu finden, aus dem Busch herkommen. Sie haben keine Ahnung, wo sich der, den sie suchen, gerade aufhält, sie wissen nicht, wo er arbeitet – sofern er arbeitet. Was soll man da tun? Sie haben kein Geld. Wenn Sie sehen wollen, wo sie schlafen, gehen Sie hinunter zum Busbahnhof. Das Arbeitsministerium weiß nicht, was mit ihnen anfangen, und so schickt man sie zu mir.« Sie lachte leise und voll Mitleid. »Ich habe vorgeschlagen, man soll ihnen ein Dach über dem Kopf geben – es gibt da zum Beispiel die
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