Der Ehrengast
Kulturattaché des Landes bei den Vereinten Nationen ernannt worden; sie nahm die Gratulationen zurückhaltend und mit selbstbewußter Herablassung entgegen – es war, als könnte man sie nur durch Glas betrachten, denn diese Schönheit würde ihren Platz weder im Hinterhof eines Weißen finden noch in den Frauenquartieren eines Schwarzen. Sie war im Begriff, über Algier nach New York zu fliegen; sie sprachen ein paar Minuten über Ben Bella und Boumedienne, und dann ließ ein junger Weißer, der sich die Zeit, bis sich eine Gelegenheit ergab, am Gespräch teilzunehmen, damit vertrieb, ihre Brustwarzen, die sich von unten her gegen das Kleid drückten, anzustarren und in einer Art unbewußten Reflexes seinen eigenen blonden Schnurrbart zu berühren, irgendeine Bemerkung über Tschombes Tod fallen. »Ich hab meine Wette, daß er aus dem Gefängnis rauskommen würde, verloren. Ich hab mir die Chancen ausgerechnet – Sie wissen, wie oft er schon um Haaresbreite mit dem Leben davongekommen ist –, hab sie einem Computer gefüttert. Ein unglaublich gerissener Bursche. Ich bin im Versicherungsgeschäft – Statistiker, verstehen Sie«, sagte er – eine entwaffnende Entschuldigung dafür, daß er fachsimpelte. Doris Manyema würdigte ihn keines Blickes und sagte zu Bray: »Ich hoffe, Tschombe verrottet in der Hölle.« »Ach, jetzt machen Sie aber einen Punkt.« Der junge Mann schmollte scherzhaft. »Mein Interesse war rein sportlicher Natur.« Ihre schmalen Augen blickten an ihren runden Wangenknochen hinunter, die Nasenflügel leicht gebläht. »Wir teilen nicht die sportlichen Instinkte von euch Leuten. Eure blutigen Sportarten in der einen oder anderen Form. Sie haben ihn nur wegen Mobutu so lange am Leben gelassen. Sie hätten ihn in den Graben schmeißen sollen, wie er’s mit Lumumba gemacht hat.« Der junge Mann forderte sie zum Tanzen auf und führte sie am Ellbogen davon, goldblonde kühne Koteletten. »Ein hübsches Paar«, sagte Evelyn Odara und lachte ihr Männerlachen. Sie war eine solide Säule, drapiert mit einer farbüberladenen Robe; Ndisi Shunungwasrandlose Brille blitzte auf wie immer, wenn er eine politische Rede hielt, aber er tanzte mit seiner reumütigen Blondine, auf die er jovial herablächelte, wobei er seinen Kopf von ihr entfernt hielt, während sich auf ihrem Gesicht die großäugige Vorsicht einer Frau ausdrückte, deren Becken beim Tanzen gegen einen fremden Mann gepreßt wurde. Zu vorgerückter Abendstunde stieg von den Gruppen unentwegter Trinker brüllendes Gelächter auf; sie begannen, die Anwesenheit der Schwarzen zu vergessen und ihre obszönen Geschichten zu erzählen. Die schwarzen Männer sammelten sich hier und da und sprachen in ihrer Muttersprache,
pas devant les enfants
. In der Männertoilette sah sich einer der weißen Männer neben Bray schnell um und sagte zu seinem Begleiter: »Gott sei Dank ist jetzt alles gut überstanden, hm, Greg? Jesus, aber es ist zäh mit diesen Burschen. Und eine Mammy, die ich auf der Tanzfläche rumschieben mußte – ich sag dir, ich mußte den niedrigsten Gang einlegen, um diesen Arsch auf Trab zu bringen.«
Das Durcheinander des Lärms wurde plötzlich unterbrochen, weil die Kapelle zu spielen aufhörte. Die Leute brachen ihre Unterhaltung ab und blickten in die Runde. Es gab irgendeine Unruhe; die Leute stellten sich jetzt in Gruppen zusammen; eine andere Art Lärm setzte ein, wurde aber wieder zum Schweigen gebracht. Mweta bahnte sich mit Joy zwischen den Gästen einen Weg; in den Händen seine Gitarre. Das zumindest war sie für Bray: seine Gitarre. Aber es war natürlich nicht jene Gitarre, es war einfach eine, die ihm von einem Mitglied der Kapelle auf einen Vorschlag oder eine Bitte hin, vielleicht sogar auf Mwetas eigenen plötzlichen Einfall, ausgehändigt worden war. Egal, er ging jedenfalls, beinahe scheu, Joy an der einen Hand, die Gitarre in der anderen, mit einem halb erwartungsvollen (er hatte diese Gitarre geliebt), halb stolzen Ausdruck (er hatte das Vergnügen gemocht, das die Leute in den Siedlungen an seinem Spiel gehabt hatten), den er immer dann gehabt hatte, wenn er vom Fahrrad gestiegen und die Gitarre von seinem Rücken herabgeglitten war, durch den Saal. Ohne jede Ankündigung undganz selbstverständlich schritten sie zum Podium hinauf, und er begann zu spielen, während sie ihre Hände ein- oder zweimal zusammenschlug, ihren jungen, lockeren, mütterlichen Körper in dem schulmädchenhaften rosa Kleid streckte,
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