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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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unseren Bedingungen«, und daß das, was der Vorsitzende der Goldminengesellschaft gesagt hatte, bedeutete: »Wir habennicht die Absicht, die Mondo-Mondo-Mine wiederzueröffnen, weil unsere Aktienbesitzer in Übersee hohe Dividenden von produktiven Minen wünschen, und keine Expansion, die zwar mehr Arbeitsplätze schafft, aber fünf oder sechs Jahre brauchen würde, bis sie sich zu lohnen beginnt.« Der Direktor der Tiefkühlgesellschaft, deren Fleischerläden die Schwarzen im ganzen Land durch eine Luke in einer Tür bedient hatten, um sie von den weißen Kunden getrennt zu halten, bis ein Boykott der PIP vor drei Jahren eine Veränderung erzwungen hatte, bestand charmant darauf, daß sein schwarzes Gegenüber am Tisch von ihm eine Zigarre annahm. »Dann stecken Sie sie ein. Rauchen Sie sie zu Hause, wenn Sie Lust dazu haben.« Mr. Ndisi Shunungwa, der Generalsekretär des Vereinigten Gewerkschaftskongresses, der einmal gesagt hatte: »Sie sind mit einer Flasche Gin und einer Bibel ins Land gekommen – geben wir ihnen zurück, was sie mitgebracht haben, und sagen wir ihnen, daß sie abhauen sollen«, fischte eifrig unter dem Tisch nach der Handtasche der Frau des Direktors der Medizinischen Versorgungsstelle. Sie war eine plumpe und dankbare Blondine, die sich entschuldigte: »Ach, ich bin unmöglich … oh, sehen Sie, Sie sind ganz staubig am Ärmel … Oh, ich bin …«
    Mwetas Rede war sehr kurz. Von seinem Sitzplatz aus konnte Bray sein Profil studieren, die hohe, gebogene schwarze Augenbraue, das kleine, flachgedrückte Ohr, das Blitzen des Auges unter den Wimpern, die aufgebogen waren wie die einer Frau, die starken Lippen, die sich beim Reden leicht vorstülpten. Alle, die gemeinsam für das Land arbeiteten, seien Landsleute, sagte Mweta. »Von den frühesten Tagen unseres Kampfes an« sei Staatsbürgerschaft für ihn nie eine Frage der Hautfarbe gewesen. Wenn es falsch war, von der Hautfarbe zu profitieren, dann war es ebenso falsch, eine Hautfarbe zu diskriminieren. Er verstand »dieses Dinner als die teuerste Mahlzeit, die jeder von uns hier je gegessen hat«. Gelächter; er lächelte, war aber ernst, aufrichtig, ein Mann, der vor noch nicht einem Jahr in einem Zwei-Zimmer-Haus mit Wellblechdach im schwarzen Stadtviertel gewohnthatte: »… aber die Kosten sind in Wahrheit sogar noch viel höher als das, denn der Preis für dieses fröhliche Beisammensein wurde durch mehr als fünfzig Jahre der Arbeit der Bevölkerung dieses Landes bezahlt und mit dem entschlossenen Weitblick jener von draußen, die an seine Entwicklung geglaubt haben.«
    Laute Musik entfaltete sich über den Gesprächen und dem Klirren der Teller und dem gequälten Stampfen schwitzender Kellner. Joy Mweta wurde von einem der weißen Männer auf die Tanzfläche geführt. Die Stimmen paßten sich dem Lärm an und wurden lauter; die Kapelle aus dem Kongo spielte ihren speziellen Schluckauf-Rhythmus, unterstrichen von südamerikanischen Rasseln und Klappern. Dann und wann platzte eine Trompete dazwischen wie der Ausbruch eines fetten Gelächters. Ein paar weiße Männer drifteten wie bei clubinternen Tanzveranstaltungen aufeinander zu, und die schwarzen Männer fühlten sich zur männlichen Kameraderie des Whiskys und der geschäftlichen Gespräche hingezogen. Weiße Frauen gingen geschlossen wie Schulmädchen auf die Toilette und kamen mit einem animierten Gesichtsausdruck zurück, der von einem herzlichen Lachen über das ganze Theater herrührte. Schwarze Frauen saßen geduldig da, dazu geboren, die Langeweile und die Vernachlässigung bei offiziellen Anlässen zu ertragen. Beim Tanz mit dem pflichtbewußten Bray wurde Mrs. Mackintosh nun unter der Wirkung von Gin und Tonic sorgloser. Sie kicherte über das rote Flaggentuch, das die Wände bedeckte.
    »Haben wir von den Kulis geschnorrt, mein Bester. Sie haben die armen, gottverdammten Eingeborenen so viele Jahre lang übers Ohr gehauen, daß sie sich’s jetzt leisten können, was rauszurücken.«
    Er tanzte mit Evelyn Odara. Sie zog ihn mit sich, um ihn einem eleganten Mädchen vorzustellen, das ihm aufgefallen war, als es an den schwarzen Ehefrauen wie an abgesetzten Teehauben und an den weißen Frauen, die ihr zusammen mit ihren Männern nachsahen, blicklos vorüberglitt, wobei ihr weißes Kleid und die baumelnden Glasohrringe ihre seidige, schwarze Haut hervorhoben.Doris Manyema. Aber er hatte sie schon zuvor, während der Unabhängigkeitsfeiern getroffen. Sie war gerade erst zum

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