Der Ehrengast
Unterschied, daß »nun wir die Arbeitgeber und sie unsere Arbeitnehmer sind; wir bezahlen den Flötenspieler und bestimmen die Musik«. Man solle doch nur überlegen, wie schwierig, wie gefährlich, wie prekär die Situation des Staates zu jenem Zeitpunkt gewesen sei, als er endlich in die Hände seiner rechtmäßigen Besitzer kam – und wie stehe er jetzt da?
Mweta unterbrach sich und blickte hinaus in die Reihen von gespreizten Knien und entlang an den Reihen von Gesichtern, die er – jenseits des grellen Lichtes, das ihn auf der Bühne umgab – im Halbdunkel des Hauses wohl nur undeutlich ausmachen konnte. Er zeigte sein nacktes Gesicht – ein Sebastian für viele, viele Pfeile. Und er schien diese schon jetzt wie etwas Harmloses aus seinem Fleisch zu ziehen: Ja, es habe gewisse Probleme gegeben, Probleme mit den Industriearbeitern und solchen, die in Unternehmungen der öffentlichen Hand tätig seien, aber in Wahrheit stellten sie eine unmittelbare Konsequenz jenes Vermächtnisses dar, das der Kolonialismus hinterlassen habe, und es seien Probleme, die unter der Kolonialherrschaft im hintersten Regal versteckt worden seien, vor denen man sich gedrückt und die man für einen immer noch späteren Tag zurückgestellthabe. »Und das ist jetzt unser Tag« – unvermittelt wechselte er zu seiner Fußballstadions- und Massenveranstaltungsstimme über, was für das Mikrophon einen Augenblick lang zuviel wurde, so daß seine Wendung zwischen den Wänden hin und her schwirrte – »das ist jetzt unser Tag, und die Probleme müssen nun so behandelt werden, als hätte die Regierung sie verursacht und nicht als Erbe übernommen. Es ist leicht, die Menschen nur für den Augenblick zufriedenzustellen, ihnen etwas in die Hand zu drücken und glücklich wieder wegzuschicken – glücklich für kurze Zeit. Was aber ist dann, wenn sie abermals mit ausgestreckten Händen kommen und man diesmal nichts anzubieten hat, weil man die Wirtschaft des Landes weit über das Maß seiner verfügbaren Ressourcen strapaziert hat?« Die Lösung der Probleme der ökonomischen Entwicklung müsse in diesem Stadium gegenüber allen anderen Forderungen Priorität haben. Das Wohl des Staates als Ganzheit sei es, was die Regierung im Auge gehabt habe, als sie den Forderungen der Bergarbeiter – die nicht von der ökonomischen Realität eines unabhängigen Entwicklungslandes ausgegangen seien, sondern sich auf eine Ökonomie berufen hätten, wie sie zur Zeit des Kolonialismus bestanden habe – weder nachgab noch nachgeben konnte oder auch wollte. Es sei verständlich, daß es in den Köpfen der Arbeiter zu einer solchen Verwechslung kommen konnte … und es verstehe sich auch ganz von selbst, daß es überall in diesem Land Elemente gebe, die bereit seien, diese Verwechslung für ihre eigenen Absichten zu nutzen. Aber »die PIP -Regierung muß sich hoch aufrichten und über die Köpfe des Volkes hinwegsehen«. Die PIP -Regierung lege Arbeitskonflikte auf eine Weise bei, die den langfristigen Interessen der Arbeiterschaft besser diene, als dieser vielleicht klar sei – ja, diese Beilegung geschehe in Wahrheit sowohl in
ihrem
als auch im größtmöglichen Interesse des Staatsganzen. »Während des europäischen Krieges griff die Regierung des Vereinigten Königreiches zu Sondermaßnahmen – einschließlich der Aufhebung des Streikrechts –, um den Stand der industriellen Produktion auf gleichem Niveau zu halten. Auch wir befindenuns im Kriegszustand – einem Krieg gegen die Unterentwicklung unseres Landes, gegen die Rückständigkeit und Armut. Ich werde niemals den Weg des geringsten Widerstandes gehen, wenn dieser Krieg verlorenzugehen droht. Ich werde es nie so weit kommen lassen, daß ich die Menschen in diesem Land mit leeren Händen wegschicken muß.«
Nach dieser hochtrabenden Wendung bediente er sich wieder seines üblichen Tricks und stellte sich einem weiteren konkreten Vorwurf – daß es noch ein Problem gegeben habe, mit dem man sich während dieser ersten paar Monate auseinanderzusetzen gehabt habe. Er habe dem Volk gegenüber zum betreffenden Zeitpunkt eine vollständige Erklärung abgegeben, aber selbstverständlich sähe er sich immer ganz besonders dazu verpflichtet, der Partei Rechenschaft darüber abzulegen, was im Namen der Partei geschehen sei. Ein Vorbeugehaftgesetz sei eingebracht worden; eine Maßnahme, die dazu diene, unterschwelligen Versuchen ein Ende zu setzen, die auf die Erschütterung des Gleichgewichts des
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