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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Staates zu einem Zeitpunkt abzielten, da er dieses erst zu finden versuche. Wie bereits festgestellt, trage in manchen Teilen des Staatsvolks zeitweise der ungeduldige Wunsch nach den Früchten der Freiheit den Sieg über den gesunden Menschenverstand der Bevölkerung davon. Sie liefe Gefahr, Opfer jener gewissen, zersetzenden Kräfte zu werden, denen man in ganz Afrika begegnen könne und die die Menschen dazu zu überreden versuchten, sich selbst zu sabotieren. Es sei einfach, Ressentiments zu schüren; leichter, als sie durch harte Arbeit und das kontrollierte und maßvolle Wachstum des Landes zu beschwichtigen. »Wenn wir einmal unseren Staat aufgebaut haben, dann werden wir auch in der Lage sein, die Wortverdreher und Intriganten als harmlose Spinner zu tolerieren, dann werden wir auch keine Vorbeugehaft nötig haben. Sie ist eine vorübergehende Maßnahme gegen unsere neue Art von Notstand – eine Notstandsmaßnahme, die nicht das Produkt von Unruhen ist, sondern der Notwendigkeit entspringt, die Arbeit, unbelästigt von Zerstörern, voranzutreiben.«
    Es habe noch ein drittes Problem gegeben, und auch bei ihm handle es sich nicht um eines, mit dem es nur dieser Staat zu tun habe, sondern um eines, das für das gesamte gerade neu erstehende Afrika charakteristisch sei. Die Lage in Nachbarstaaten sei häufig instabil und unruhig; stabile und friedliebende Staaten fänden sich oft vor die Situation gestellt, für Flüchtlinge »dieser oder jener Art« die Gastgeberrolle zu übernehmen. Diesen Flüchtlingen sei völlig bewußt, daß sie den Schutz dieses Staates nur unter der strengen Auflage genössen, ihn nicht zu mißbrauchen. Kein Land könne tatenlos dulden, daß »konspirierende Ausländer das Asylrecht dadurch verletzen, daß sie Waffen ins Land schaffen und die täglichen, friedlichen Verrichtungen des Volkes als Deckmantel für ihren Waffenhandel mißbrauchen«. Fischereilaster, die Nahrungsmittel vom See in die Hauptstadt transportiert hätten, seien von den Flüchtlingen auf diese Weise benützt worden. Niemandem sei es gestattet, »auf unsere Kosten einen Krieg zu führen«, und man habe diese Subjekte dementsprechend des Landes verwiesen; wobei sie sich noch glücklich schätzen könnten, daß man ihnen nicht den Prozeß gemacht habe. Die Entscheidung darüber, ob solche im Exil lebenden Individuen für ihre Waffentransporte ins Staatsgebiet vor Gericht gestellt werden sollten, liege beim Generalstaatsanwalt, und sollte es nochmals zu derartigen Vorfällen kommen, so würde dieser nicht zögern zu handeln – das möchten andere Flüchtlinge bitte zur Kenntnis nehmen.
    Trotz »all dieser Probleme, deren Erbe wir antraten, als wir die Führung des Staates selbst in die Hand nahmen«, stehe dieser, sowohl bei seinen afrikanischen Bruderstaaten als auch beim Rest der Welt, in hohem Ansehen, und – was wichtiger sei – die Menschen könnten beobachten, wie ihre Hoffnungen im täglichen Leben Gestalt annähmen. Die Afrikanisierung mache Fortschritte. Bei der Beamtenschaft verhalte es sich derzeit so, daß schon fast die Hälfte sämtlicher Zollbeamten schwarz seien. Alle District Commissioner seien durch schwarze Provinzverwaltungsbeamte ersetzt, sechzehn schwarze Richter seien ernanntworden. Der Oberbefehl über die Polizeistreitkräfte liege in den Händen eines Schwarzen – ein Beweis, der die staatliche Einheit und eine Loyalität spiegle, wie sie seiner Meinung nach von keinem zweiten jungen Staat für sich reklamiert werden könne. In zwei bis drei Jahren werde selbst das Oberkommando über die Armee »einem Mann aus unserem Volk« anvertraut.
    Ein neues Lehrlingsausbildungsprogramm werde dafür sorgen, daß die Privatindustrie ihr Teil für die Ausbildung Jugendlicher beitragen werde. Freilich, der größte Schritt nach vorne sei bereits getan – gemäß dem Ausbildungsprogramm, dessen Umsetzung in Zusammenarbeit mit den Bergbaugesellschaften zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Angriff genommen worden sei, würden in zwei Jahren sämtliche Arbeiter bis hinauf zum Rang eines Obersteigers Schwarze sein. Er sei in der glücklichen Lage, diesen Kongreß als erster darüber zu informieren, daß der Minister für Bildung und Erziehung gemeinsam mit dem Minister für Planung und Entwicklung erfolgreich durchgesetzt hätte, daß die Internationale Arbeiterorganisation in der Hauptstadt ein Trainingsprogramm für Manager initiieren werde. Sein spezielles Ziel werde die Ausbildung von Schwarzen sein, um

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