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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Finger, um ein wichtiges Problem zu klären: »Steak und Eier? Wurst?« »Ja, ich denke, Wurst.« Zwischen ihnen auf dem Tisch stand – griffbereit wie ein Sortiment von Gegengiften – die übliche Ansammlung von Flaschen: Worcestersauce, Tomatensauce, trüberEssig. »Hätte in manchen Passagen beinahe der alte Banda sein können, hm?« sagte Shinza; zusammen mit den Sauceflaschen stand auch Mwetas Begrüßungsansprache da zwischen ihnen.
    Bray lächelte: »Zum Beispiel?«
    Shinza wedelte mit seinen Händen ungeduldig über den Tisch. »›Das ist die Antwort und so weiter an diejenigen, die von Verstaatlichung reden! … hat keinen Sinn, in einem unterentwickelten Land von Verstaatlichung zu reden.‹ Das ist genau das, was der verrückte Doktor denen in Malawi einredet.«
    »Nicht ganz so schlimm.
Der
behauptet immer, man müsse zuerst Kapital akkumulieren, bevor man verstaatlichen könne – irgendwas in dieser Richtung. ›Verstaatlichung als nationaler Selbstmord.‹ Nein, Mwetas Linie war eher die von Senghor.«
    »Senghor?« Shinza forderte grinsend Beweise.
    »O ja. Senghor hat das einmal gesagt – ziemlich das gleiche wie Mweta. Er klopfte den Gewerkschaften auf die Finger und schrieb einen Artikel, in dem er behauptete, Verstaatlichung sei für ein unterentwickeltes Land sinnlos.«
    »Ah, jetzt erinnere ich mich, worum’s da ging. Ja, möglicherweise hat er das tatsächlich gesagt …« Shinzas Schnauben gab zu verstehen, er sei ein Mann ohne Illusionen. »Er hat die sozialistischen Gewerkschafter nie leiden können. Weißt du, wann das war? Das war vor dem Jahr einundsechzig. Als er sich gegen die Forderungen der UGTAN stellte, die verlangte, daß man einen Teil der Wirtschaft verstaatlichte. Er war schnell damit zur Hand, die Burschen von der Gewerkschaft eine scheinheilige Elite und eine Menge anderer Dinge zu nennen.« Überrascht von der Parallele, über die er da gestolpert war, nickte er vielsagend mit dem Kopf.
    »Ich habe mir die Tagesordnungspunkte bis jetzt noch nicht genau angesehen. Bist du mit dem Sekretariat des Organisationskomitees zurechtgekommen?«
    Shinza drückte seine Schultern gegen den unbequemen Plastikstuhl, und unter seinem eher eleganten, langärmeligen Hemd zeichneten sich seine Brustmuskeln ab. Er trug keine Krawatte,aber das Hemd war bis hinauf zu dem spitzen Kragen zugeknöpft, zu dem die bestickten Klappen über den Brusttaschen genau paßten. Seine Aufmachung setzte sich von den Togen oder paramilitärischen Tuniken als eine Art Phantasiekostüm ab (er hatte während der Zeit des Unabhängigkeitskampfes eine Mweta- Tunika getragen, also war das sein privates Signal dafür, daß er keine Lust hatte, seine Zeit mit etwas zu vertrödeln, das passé war) und strafte das Mischgewebe-Prestige aus Baumwolle und Terylene der neuen schwarzen Mittelschicht mit Verachtung. Mit dem Ausdruck des Mannes, der sich bewußt ist, daß seine Chancen nicht allzugut stehen, es aber vorzieht, diese Tatsache zu ignorieren, sagte er: »Wir haben einen Tagesordnungspunkt eingebracht, die Haltung der Partei zu den Gewerkschaftsangelegenheiten zu überprüfen, der wurde rausgeschmissen.
Aber
– das gleiche passierte mit dem Vorschlag der Jungpioniere, die Partei solle die Regierung bei ihren Bemühungen unterstützen, ›der Gewerkschaft gegen zersetzende Elemente in den eigenen Reihen den Rücken zu stärken‹. Ein kleiner Vogel hat mir gesungen, wie das gelaufen ist. – Das ist gut, findest du nicht? Das ist
gut
. Ich sag dir das als ein zersetzendes Element zum anderen.« Sie lachten. »Aber wir hatten eine ganze Menge Kleinzeug – einen Punkt hier, einen Punkt da, der uns mehr oder weniger die gleichen Möglichkeiten geben wird … wir hatten so eine Ahnung, daß es der große nicht bis in die Tagesordnung schaffen würde … Wir haben aber einen ganz schönen Haufen anderer, die hinreichen werden.«
    »Wie ist es denn dem Komitee gelungen, sich aus dem großen rauszuwinden?«
    »Oh, weißt du – das alte Rezept: Sämtliche Dinge, die unter diesem Stichwort liefen, wurden gesondert behandelt und in andere Punkte aufgenommen, also ergäbe das hier keinen Sinn. Na, wir hatten das erwartet … Und die Jungpioniere muß man aufgefordert haben, leisezutreten und in ihrem Fall nachzugeben. Unnötig, den Kongreß mit einer Diskussion darüber zu belasten, womit man sie ohnedies tagtäglich davonkommen läßt.«
    Shinza verschlang das Essen, beinahe ohne darauf zu achten, was auf seinem Teller

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