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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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zwei Teile und stocherte in seinem Mund herum. »Meine Zähne gehen kaputt.«
    Bei aller Intellektualität blieb Shinza ein typischer Schwarzer; wenn man seine Zähne verlor, dann lag das in der Natur der Dinge: Er dachte wahrscheinlich gar nicht daran, einen Zahnarzt aufzusuchen, um das hinauszuzögern. Aber Joshua Ntshali hatte unübersehbare Goldzähne; es war so, daß für ihn – Bray – das, was Shinza tat, bedeutend war. Es gibt Menschen, an denen man etwas abliest, und andere, die oberflächlich betrachtet ebenso typisch sind, deren Leben aber nicht zu einem spricht.
    »Weshalb sollten wir nicht zusammen essen?«
    Shinza warf das Streichholz wortlos weg. »Du wohnst bei Dando. Könnte sein, daß ihm das nicht gefällt.«
    Er möchte wissen, ob ich mit Mweta zusammenkomme.
    »Ich denke nicht, daß mich kompromittieren könnte, wo ich mich aufhalte.«
    »So, denkst du nicht.« Damit wollte er nicht andeuten, Bray sei naiv, was die Realitäten anging; es steckte beinahe Bitterkeit dahinter, eine Art Anklage, eine Herausforderung. »Aber das tut es und wird es auch weiterhin tun. Denken
wir

    Der Vorwurf, irgendwie nicht richtig reagiert zu haben, traf ihn. Wie immer bestand seine Verteidigung darin, kühler und kühler zu werden und mehr und mehr Beweise für die Richtigkeit dessen, was man ihm zur Last legte, zu liefern. »
Wir?
Heißt das, du und Mweta?«
    Shinza lachte, aber es war kein Lachen, mit dem er Bray freisprach.
    Bevor sie beim Kino ankamen, verließ ihn Shinza mit der Bemerkung, er müsse mit jemandem reden. »Ich wohn bei Cyrus Goma«, sagte er.
    »In der Altstadt?« Das Viertel der Schwarzen war immer Altstadt genannt worden.
    »Mm. Ich glaube, es ist Nummer einhundertsieben, Hauptstraße. Direkt neben der Methodistenkirche.«
    »Ah, ich weiß.«
    »Die Trockenreinigung an der Ecke richtet’s mir aus, wenn irgendwas ist. Eine Mrs. Okoi. Schreib dir die Nummer auf.«
    »Dhlaminis Mutter? Ich erinnere mich an sie.« Dhlamini Okoi war Postminister; Mweta hatte ihm gerade das Informationsressort weggenommen, um daraus ein eigenständiges Ministerium zu machen.
    »Genau. Es ist wirklich die Wohnung des alten Goma, wo ich derzeit wohne.«
    Das Sekretariat des Organisationskomitees hatte strikt darauf geachtet, daß auf die Tagesordnung des ersten Nachmittags nichts Schwerwiegendes kam. Das Problem der Teilnahme von Frauenorganisationen brachte seitens der wenigen weiblichen Teilnehmerinnen harte Worte – früher hatten sie an den Kongressen nicht aufgrund ihrer regionalen Herkunft, sondern nach ihrer Vertretung in den Parteiorganisationen teilgenommen. Sie wollten ihre alten Rechte wiederhaben. (Deshalb waren wohl auch die militanten Sängerinnen draußen aufgetreten.) Der Antrag, daß »intensive« Anstrengungen für den Aufbau eines eigenen diplomatischen Dienstes anstelle der Abhängigkeit von den Diensten der ehemaligen Kolonialmacht unternommen werden müßten, war eine Angelegenheit, die den Leuten die Möglichkeit gab, ihre Steckenpferde durch ein – in parteipolitischer Hinsicht – unvermintes Feld zu reiten. Ob konservativ oder radikal – jeder wünschte, daß das Land seinen eigenen diplomatischen Dienst besäße; der Antrag befriedigte den Patriotismus, obwohl wederdie Mittel noch das Personal zur Verfügung standen, mit denen er in die Tat hätte umgesetzt werden können. Ein Antrag zur Afrikanisierung sozialer Einrichtungen, die von der Parteiorganisation von Gala eingebracht wurde, stellte sich als Sampson Malembas Kind heraus – mit keinem Wort hatte ihn Sampson auf der Fahrt im Wagen herunter auch nur erwähnt. Aber es stand außer Frage, welche Institutionen im besonderen er persönlich vor Augen hatte, als er von den »weißen Gesellschaftsclubs mit einem reichen Angebot an Einrichtungen« sprach, »die es noch immer in kleinen Städten gibt, wo derlei Dinge der Gemeinde als Ganzes nicht zur Verfügung stehen«. Es gebe einen ihm bekannten Fall, in dem »ein Hundezwinger nicht für Werkstätten des Gemeindezentrums zur Verfügung gestellt wurde«. Unterdrücktes Lachen wurde laut. Malemba blickte langsam und überrascht auf; er erklärte, es handle sich dabei nicht um eine gewöhnliche Hundehütte. Diesmal mußte der Vorsitzende den Kongreß zur Ordnung rufen, Köpfe senkten sich über Pressetischchen und Kugelschreiber kritzelten. Schlaglichter vom Kongreß: die weißen Reporter würden die Anekdote mit Vergnügen aufnehmen –
Kongreß diskutiert über Hundehütten
– und

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