Der Ehrengast
lag. Wie ein Franzose wischte er ihn mit Brot aus.
Bray machte oft Pausen. »Ich hab gesehen, daß man Mwetas Befugnis, den Generalsekretär der Gewerkschaftsverbände zu ernennen, anfechten wird. Wie hast du denn das geschafft?«
»Das ist ein Antrag der Parteiorganisation von Yema …«
»Ja, das ist mir aufgefallen.« In Yema gab es Werkstätten der Eisenbahn und die Phosphatminen; die dortige Parteiorganisation war eine der ältesten und war Jahre davor von Gewerkschaften gegründet worden, deren Organisation ein Werk Shinzas war.
Shinza kicherte heiser und schnalzte mit der Zunge. »Das war ein harter Knochen. Die haben behauptet, das sei eine Angelegenheit für den UTUC -Kongreß und nicht eine für den Parteikongreß. Aber wie es das Schicksal so wollte …«, er zog seine Augenbrauen in die Höhe und wackelte mit seinem Bart, »brachten verschiedene andere Zentralen genau den gleichen Antrag ein … und das … hat dem Komitee die Sache erschwert. Sie waren gezwungen, uns anzuhören.«
»Ich war überrascht.«
Shinza nickte langsam.
»Es könnte sehr wichtig werden«, beharrte Bray; entweder eine Frage oder eine Feststellung – kam ganz darauf an, wie Shinza es auffaßte.
»Es könnte …« Shinza starrte geistesabwesend-neugierig den Kellner an, der den Nachbartisch abräumte, dann kehrten seine Augen langsam zu Bray zurück und lagen ruhig auf ihm, während seine Nasenflügel sich spannten.
»Du kennst doch die ILO -Sache«, sagte Shinza nach einer Pause und beobachtete Bray beim Durchsägen seiner zu harten Wurst.
»Du bist nicht sehr beeindruckt.«
»So läuft es hier eben. Managementplanung. Ein Ausbildungszentrum für eine kleine Klasse von Kaufleuten. Sie werden lernen,wie man Kredite von weißen Importeuren kriegt und für den Fall, daß der Mann vom Finanzamt kommt, eine doppelte Buchführung anlegt.« Er kippte auf seinem Stuhl zurück. »Alle sind glücklich, weil sie glauben, daß dahinter der Versuch steckt, die Inder rauszuekeln. Als ob das irgendwas lösen würde. Sie halten das für einen Geniestreich mit der Absicht, die dumme Situation in Zambia zu vermeiden, als man die Inder dazu zwang zu verkaufen und sich dann herausstellte, daß es keine Zambianer gab, die Geld genug hatten, um zu kaufen, oder die gewußt hätten, wie man ein Geschäft führt. Aber egal – was sie auch denken, es geht am Problem vorbei. Es sind nicht Rasse oder Hautfarbe des Krämers, die verändert werden müssen. Alle Mittelsmänner sind ihrer Natur nach Ausbeuter, und die Afrikanisierung der Ausbeuterklasse wird unser Problem nicht lösen.«
Es war nicht nötig zu sagen, daß er dem zustimmte. Shinza wußte das. »Die Ausbildung könnte in anderer Hinsicht nützlich sein – bei der Führung kleiner Coop-Läden und so weiter.«
»Wir hätten so was gebraucht, wie’s die Tansanier haben – die ILO ist gerade dabei, Lehrwerkstätten in Dar aufzubauen. Selbst das ugandische Projekt wäre besser gewesen als diese Managementgeschichte. Die Ausbildung der kleinen Einzelhändler ließe sich im Sinne von kooperativen Genossenschaften umlenken. Am Lake Albert gibt es eine Fischerei- und Agrargenossenschaft und in Kampala eine Schreinerei. Nicht schlecht. Aber man kriegt, worum man die ILO bittet. Das liegt im Wesen dieser Art von internationaler Hilfe – wie sich von selbst versteht; sie können nicht einfach weitermachen und gegen die Wünsche der Länder selbst handeln. Also haben wir einen Plan, der auf die Afrikanisierung einer alten Gesellschaft freier Marktwirtschaft hinausläuft.« Er drehte den Teller mit der Rechnung darauf zu sich hin. »Na – besser, wir sehen zu, daß wir weiterkommen. Wieviel macht mein Anteil aus?«
»Du kannst morgen für mich zahlen.«
Sie schoben quietschend ihre Stühle zurück. Shinza ließ Bray durch und sagte im Vorbeigehen: »Iß lieber nicht zu häufig mitmir.« Er blieb stehen, um sich an der Theke Zigaretten zu kaufen. Er ging im blendenden Sonnenlicht der Straße neben Bray her und setzte eine große dunkle Brille auf, die das Geheimnisvolle seines Bartes noch verstärkte und sein ganzes Gesicht verdunkelte. »Kein Mensch hier nennt mich mehr ›Boy‹. Ist das die Unabhängigkeit, oder werde ich bloß alt?«
»Alt wirst du nicht«, sagte Bray. »Mag sein, daß du älter geworden bist, aber alt wirst du nicht, das kann ich dir versichern.«
Shinza stopfte sein Hemd lächelnd unter den Gürtel. Während sie gingen, holte er ein Zündholz heraus, zerbrach es in
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