Der Ehrengast
da, aber ohne die Konzession des Charmes – damit hatte er Schluß gemacht. »Das Etikett der genossenschaftlichen Gewerkschaft kann man dem UTUC nicht anhängen. Nicht einmal das sogenannte ›aufgeklärte‹ genossenschaftliche Gewerkschaftskonzept, wie es Mr. Chekwe schmeichelhafterweise nennt … Denn darauf läuft das, was er sagt, hinaus: daß die Gewerkschaften letztendlich jede Regierung unterstützen könnten, deren Politik den Arbeitern entgegenkommt,
egal, wie das politische Grundkonzept dieser Regierung aussieht
. Nun, wir wissen, wohin diese Argumentation führen kann. In Europa hat sie zu Mussolini, zu Hitler geführt – sie hat zum Faschismus geführt. Afrika macht genug eigene Fehler; eine der letzten Hoffnungen der Welt und unser selbst ist die, daß Afrika zumindest nicht sämtliche Fehler Europas wiederholenmuß. Für Afrika führt Mr. Chekwe das Beispiel Mboyas an. Ja, der verstorbene Tom Mboya verfolgte tatsächlich das Konzept einer ›aufgeklärten‹ genossenschaftlichen Gewerkschaft, sowohl als Gewerkschafter als auch, später, als Minister für wirtschaftliche Planung und Entwicklung, und wir halten die Erinnerung an ihn, als an einen der großen Männer unseres Kontinents, hoch; aber es gibt Leute, die behaupten, er habe dieses Argument dazu benützt, seine blinde Hörigkeit gegenüber dem westlichen Block zu rechtfertigen, und er habe damit die Prinzipien einer konstruktiven Neutralitätspolitik über Bord geworfen, zu der sich die PIP und unser Land bekennen; und zu dem Zeitpunkt, als er starb, da blühten die geschäftlichen Interessen der Ausländer, während die Bevölkerung von Kenia weiterhin in Armut lebte … Nein, das Etikett der genossenschaftlichen Gewerkschaft, einer Flucht vor der realitätsorientierten und ihnen gemäßen Rolle der Gewerkschaften in einem unterentwickelten Staat, will auf den UTUC nicht passen, denn das, wofür er seit jener Zeit, in der unsere Partei aus den Gewerkschaften hervorging, stand, ist die uneingeschränkte Teilnahme der Arbeiter an der Formulierung der Politik des Staates. Im Jahre 1959, als ich aus dem Gefängnis kam, hatte ich kaum die Zeit, mir ein sauberes Hemd zu suchen« – glänzend beiläufige Erinnerung daran, daß er für die PIP ins Gefängnis gegangen war – »als mich der UTUC schon zur UGTAN -Konferenz nach Conakry schickte – einer der ersten wichtigen Versuche, eine panafrikanische Gewerkschaftsbewegung zu gründen –, und das mit dem Auftrag, das Mitspracherecht der Gewerkschaft in politischen Aktionen als die einzige Möglichkeit der Verwirklichung sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts zu unterstützen. Im Laufe der Jahre, später, als die PIP dann verboten wurde und der UTUC eine Zeitlang als unsere Fassade fungierte, bekräftigten die Gewerkschaften diese Überzeugung in Aktionen« – vielleicht sagte er: »die lauter waren als Worte« – seine eigenen wurden vom Prasseln heftigen Beifalls von irgendwo übertönt. »Damals sahen die Gewerkschaften, daß die Arbeiter dies am dringendsten brauchten: den unbedingtenKampf des Staates gegen Kolonialismus und Imperialismus. Der Grund, weshalb der Generalsekretär nicht über die Köpfe der Arbeiter hinweg ernannt werden darf, ist nicht der, daß sie der Meinung sind, ihre Rolle nach der Unabhängigkeit wäre die,
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auf Regierungsebene mitzureden, sondern weil es die ist,
mehr
Mitsprache zu haben, denn nun ist das für die Arbeiter das Vordringlichste: dafür zu sorgen, daß die Regierung ihren Kampf gegen den Neokolonialismus und all das, was dieser für die Arbeiter bedeutet, weiterführt. Denn dieser Begriff des ›Neokolonialismus‹ ist nicht, wie manche Leute es uns gerne einreden möchten, ein bloßes Schlagwort, es ist auch nicht ein ehrlicher Geldgeber aus Europa oder Amerika oder sonstwoher, dem die Kommunisten ein Bettlaken übergeworfen und das Gesicht eines bösen Geistes aufgemalt haben. Er ist mitten unter uns, jetzt, in der Gestalt der ›uneigennützigen‹ Hilfe, die uns seitens der Großmächte zuteil wird; in der Verfügungsgewalt, die internationale Konzerne über unsere nationalen Ressourcen ausüben; und in der Fortsetzung unserer ökonomischen Unterlegenheit als die ewigen Produzenten von billigem Rohstoff und Käufer von teuren Endprodukten.«
Zwei Finger fuhren in die Tasche des zerknitterten Hemdes, so als suchte er, mitgerissen von der Diskussion mit einem Freund, die übliche Zigarette. Aber neben dem Zigarettenpaket begegnete er da der
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