Der Ehrengast
eines Radios rasch durch die Wellenlänge eines Senders – zweifellos wieder die Frauen –, und ein paar rotbeschärpte
Marshals
der Jungpioniere verschafften sich Eingang. Die Polizei schien nicht zu wissen, was mit ihnen anfangen; aber die selbsternannte Autorität der jungen Männer kam angesichts der Gesellschaft jener deutlicher Gekennzeichneten mit ihren weißen Helmen, Lederstiefeln und geschulterten Gewehren ins Schwanken. Sie standen, in ihrer Anwesenheit weder bestätigt noch abgewiesen, neben den Polizisten und sahen einander von der Seite an.
Der Ruf nach Mweta wurde laut, aber er machte keine Anstalten zu sprechen. Bray versetzte sich in seine Lage und fragte sich, weshalb er es wohl Shunungwa und seinen anderen Vasallen überlassen hatte, für die Sache zu streiten. – Beim Massaker selbst möchtest du nicht dabeigewesen sein? – Er würde meine Frage nicht hören, jetzt – nicht einmal, wenn ich direkt dort oben neben ihm säße und sie ihm ins Ohr flüsterte; würde nicht hören. Und er war weit weg, auf der anderen Seite dieses Lärmzentrums, das vibrierte, so als wären sie alle in einer riesigenGlocke mit den dröhnenden Stimmen der Sprecher und den zahllosen, sich ausbreitenden, überschneidenden, zwischen den Echos hindurchwirbelnden Gedankenwellen eingesperrt; ein einziger Wunsch, der ihm da kundgetan, aber bevor er ihn noch erreichte, schon übertönt wurde; für Bray, der ihn im Blick, im Kopf, zu behalten versuchte, wurde er plötzlich zu etwas, das für Mweta stand – das vertraute Gesicht, die Robe. Justin Chekwe, Generalsekretär der PIP und gleichzeitig Justizminister, wurde offenbar als schärfste Waffe in den Kampf gegen den Antrag geschickt. Er war ein eloquenter Redner (Ex-Oxford-Union, als vorlauter schwarzer Stipendiat), und wenn er sich auch nicht zu einem Appell an die Gefühle herabließ, gewann er doch Vertrauen durch den bloßen Anblick seiner Person, den Klang seiner Stimme, die noch durch die Macht seines Ressorts verstärkt wurde, das er seit der Unabhängigkeit innehatte – wie eine Frau sexuell attraktiver wirkt, weil sie in einer Liebesaffäre steckt. Jeder Bauer in seinem mühsam zusammengesparten Sonntagsstaat konnte hier mit eigenen Augen sehen, was – sollte es für ihn selbst schon zu spät sein – aus dem eigenen Sohn noch werden konnte. Chekwes Auftreten hatte nichts von schlichtem Sich-Bescheiden; er trug die teuren Kleider des weißen Mannes, so wie er nur die teuersten Worte gebrauchte, Worte, die nur zum Preis allerteuerster Erziehung zu haben sind. Und in diesem Betragen blieb er auf eine Weise Schwarzer, die augenblicklich – auch ohne vorherige Erklärung – als notwendig verstanden wurde, um einen Stolz auf Dinge wachzurufen, die aus Afrikas eigener, vernachlässigter Wertskala wieder zu Ehren gekommen waren. Was er sagte, war natürlich direkt auf Shinza gezielt; aus taktischen Erwägungen baute es auf einer bewußten Fehlinterpretation von Motiven auf. Wolle man den Kongreß etwa dazu drängen, der Übernahme eines rein pragmatischen Gewerkschaftskonzepts seitens afrikanischer Bewegungen zuzustimmen? Anhänger dieser Einstellung wollten es der Gewerkschaft verbieten, sich in irgendeiner Form an den Aktivitäten der Regierung zu beteiligen. Der verstorbene Tom Mboya argumentierte in dieser Sache so,und in der Tat, theoretisch sei das bewundernswert … »in Ländern, deren Ökonomie so hoch entwickelt ist, daß sie es sich leisten können – obwohl, sehen wir uns ein paar von ihnen an, zum Beispiel England« – er nahm sich die Freiheit eines mitleidigen Lächelns über die Schwierigkeiten der Labour-Regierung – »obwohl wir uns also fragen, ob sich das überhaupt jemand leisten kann.« … Doch auch die hitzigsten Verfechter dieser Haltung hätten inzwischen, aufgrund der Erfahrungen in Afrika, begriffen, daß sich die Gewerkschaftsbewegung nicht nur die Verteidigung der unmittelbaren Interessen der Arbeiter angelegen sein lassen könne, »während das Land vor die Hunde geht«. Selbst die hitzigsten Verfechter einer sogenannten genossenschaftlichen Gewerkschaftsbewegung seien sich heute bewußt, daß die einzige Möglichkeit, die Interessen der Arbeiter voranzutreiben, die sei, die Regierung in jeder Hinsicht bei der Durchsetzung ihrer ökonomischen Ziele zu unterstützen. Für die Haltung der Gewerkschaft sei es absolut unerläßlich, daß sie bei ihren Überlegungen langfristige Planungen auf dem Sektor Wirtschaft berücksichtige und
Weitere Kostenlose Bücher