Der einaeugige Henker
sie auch als Schlafende, dass es vorbei war.
Die Traumwelt um sie herum verschwand. Dann hatte die normale sie wieder zurück …
***
Erneut war es dunkel um sie herum, aber es war eine andere Dunkelheit als die in der Traumwelt. Sie war nicht so dicht, es gab immer wieder kleine Lichtflecken, die sich im Innern des Blockhauses verteilten.
Reni Long schaute nach vorn. Sie hörte sich selbst laut atmen. Sie zwinkerte mit den Augen und dachte daran, dass sie noch ihre normale Kleidung trug.
Damit hatte sie sich hingelegt, war eingeschlafen und hatte geträumt. Und wie sie geträumt hatte. Das war entsetzlich gewesen. Ein reiner Albtraum. Sie hatte sich als Lebende inmitten von Knochen und Gebeinen gesehen. Sie hatte das Gefühl gehabt, in einem riesigen Grab zu stehen.
Dann war er gekommen.
Ja, er!
Der mächtige Kämpfer. Der Mann mit dem Schwert und mit dem einen Auge. Der Henker, derjenige, der alles aus dem Weg räumte, was ihm befohlen wurde.
Ein Traummann. Das im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Traum ließ Reni nicht los. Sie musste einfach über ihn nachdenken, ob sie es wollte oder nicht. Und sie würde noch lange an ihn denken, das war ihr auch klar.
Warum hatte sie das nur geträumt? Was hatte ihr dieser Traum mit auf den Weg geben wollen?
Sie wusste es nicht, auch wenn sie länger darüber nachdachte. Er konnte etwas zu bedeuten haben, musste es aber nicht. In den Nächten davor hatte sie nichts dergleichen geträumt, obwohl das nach den entsetzlichen Vergewaltigungen der Fall hätte sein müssen.
Aber nein, da war nichts gewesen. Sie hatte sogar tief, fest und traumlos geschlafen, worüber sie wiederum froh gewesen war. Nur traf das jetzt nicht mehr zu.
Was tun?
Wieder hinlegen?
Nein, das wollte sie nicht. Sie hatte zwar nicht lange geschlafen, aber sie war plötzlich hellwach. Wenn sie sich jetzt hingelegt hätte, sie hätte keinen Schlaf mehr finden können. Zumindest so schnell nicht.
Sie saß im Bett. Die Glotze lief noch immer. Reni griff nach der Fernbedienung und schaltete sie aus. Es war besser, wenn sie durch nichts gestört wurde.
Es war alles normal. Oder wieder normal. Sogar ihre Gefangenschaft sah sie als normal an. Dass es so war, konnte sie nur schlecht nachvollziehen.
Sie ging ihren Traum noch mal gedanklich durch.
Warum hatte sie so etwas geträumt? Was hatte man ihr damit sagen wollen? Wer war diese mächtige Gestalt, die ihr erschienen war?
Darauf eine Antwort zu finden, fiel ihr schwer, aber die Gestalt wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Freund oder Feind?
Auch darauf wusste sie keine Antwort.
Sie stieg aus dem Bett und ging wieder zum Kühlschrank. Es waren nur noch zwei Flaschen Wasser darin. Sie holte eine hervor und drehte den Verschluss auf und trank ein paar Schlucke.
Dann ging sie wieder zurück. Diesmal blieb sie am Tisch sitzen und starrte ins Leere. Eigentlich hätte sie Angst haben müssen, nach einem derartigen Traum bestimmt.
Aber sie hatte keine Angst.
Warum habe ich das nicht?
Diese Frage stellte sie sich immer und immer wieder, doch eine nachvollziehbare Antwort wollte ihr zuerst nicht in den Kopf. Doch als sie weiterhin nachdachte, machte es bei ihr plötzlich klick. Sie hatte jetzt die Erklärung. Sie wusste nun, weshalb sie keine Angst gehabt hatte.
Der Schwertträger oder Henker hatte sich ihr zwar gezeigt, aber er hatte nichts von ihr gewollt. Er war nicht erschienen, um sie zu töten. Er hatte sich ihr nur zeigen wollen, aber auch dafür hätte es Gründe geben müssen.
Die gab es auch. Da war sich Reni Long sicher. Sie waren ihr leider nicht bekannt.
Und jetzt?
Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Sie konnte sich vorstellen, dass dieser Traum der Anfang von etwas gewesen war, das bestimmt noch seine Fortsetzung finden würde.
Die Stille war geblieben. Stille um sie herum, wobei sie auch das Äußere mit einbezog.
Und dann war die Stille plötzlich vorbei.
Sie hörte ein Geräusch. Es dauerte Sekunden, bis sie herausgefunden hatte, was es bedeutete.
Da war eine Autotür zugeschlagen worden!
Mein Gott! Sie waren wieder da. Sie waren zurück, die Folterer, die Killer, die jetzt bestimmt ein Ende machen wollten.
Reni Long saß am Tisch und spürte den Schweiß, der ihr ausgebrochen war. Plötzlich war sie am ganzen Körper nass, und ihr Blick war fiebrig geworden.
Wieder verging Zeit.
Erneut hörte sie etwas.
Stimmen von Männern waren es diesmal, die miteinander sprachen. Sie lachten auch, und Reni hörte, dass sie auf das Haus
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