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Der einaeugige Henker

Der einaeugige Henker

Titel: Der einaeugige Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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auch etwas bei mir festgestellt. »Worüber denken Sie nach, Mister Sinclair?«
    »Über Spiegel.«
    »Ja, das ist nicht schlecht.«
    »Und weiter?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Ich lächelte knapp. »Warum sind wir vor diesem Spiegel stehen geblieben?«
    »Das will ich Ihnen sagen, denn hier haben wir das Corpus Delicti vor uns. Er ist das, weshalb ich fast vom Glauben abgefallen wäre.«
    »Und warum?«
    »Er ist nicht nur ein Spiegel«, flüsterte der Pfarrer. »Er ist mehr, viel mehr.«
    »Und was ist er?«
    »Eine offene Tür oder ein Tor. Er ist der Weg in eine andere Welt. In eine Welt, die für uns nicht sichtbar ist, die aber jenseits des Spiegels liegt.«
    »Das hört sich interessant an.«
    Henry Hope sackte leicht zusammen. Er sagte erst mal nichts, als könnte er sich selbst nicht trauen. Dann nickte er mir zu und schaute mich mit großen Augen an. »Sie denken an etwas Bestimmtes, Mister Sinclair?«
    »Ja.«
    »Darf ich fragen, woran Sie denken?«
    »Ich denke daran, dass Spiegel auch manchmal Zugänge sind, die in andere Dimensionen führen. Ich habe erlebt, dass jemand in einen Spiegel hineingehen konnte, und musste dann weiterhin zusehen, dass er wieder herauskam.«
    »Dann glauben Sie mir?«
    »Ja«, sagte ich. »Das habe ich Ihnen doch zu erklären versucht.«
    »Ja, deshalb sind Sie hier.«
    Richtig zufrieden war ich mit dieser Antwort nicht. Es war nichts geschehen, seit wir hier standen, aber es musste etwas geschehen sein, sonst hätte mich der Geistliche nicht geholt.
    »Was ist denn mit dem Spiegel passiert?«, wollte ich wissen.
    »Es hat sich jemand gezeigt.«
    »Ach.«
    »Jetzt komme ich zu dem Grund, weshalb Sie hier sind. Ich habe keine Erklärung und kann nur von Magie sprechen oder von etwas Unerklärlichem. Es hat sich jemand in der Fläche gezeigt, und das habe ich mir nicht eingebildet. Sie wurde grauer, poröser, und in der Mitte des Spiegels zeigte sich der Mann.«
    »Wie sah er denn aus?«
    »Nicht wie einer aus der heutigen Zeit.«
    »Sondern?«
    Henry Hope verengte seine Augen. »Ich würde mal eher auf das auslaufende Mittelalter tippen.«
    »Okay, und die genaue Beschreibung haben Sie bestimmt im Kopf. Oder nicht?«
    »Die werde ich nie vergessen. Aber es gibt nicht viel zu beschreiben. Da wären die längeren Haare, das kantige Gesicht und nur das rechte Auge. Das linke fehlte ihm. Da schaute man in einen dunklen Schacht, sage ich Ihnen.«
    »Okay, und was war noch an ihm Besonderes?«
    »Ha, das Wichtigste.«
    »Und?«
    »Seine Waffe!«
    Bisher hatte ich die Aussagen noch locker hingenommen. Jetzt bekam ich schon einen fragenden Blick. Ich glaubte auch, dass Henry Hope sich nichts eingebildet hatte.
    »Welche Waffe?«, fragte ich.
    »Ein Schwert.«
    »Ach.«
    Er nickte. »Ja, ein Schwert, das ich als die Waffe eines Henkers ansehe.«
    »Kennen Sie sich so gut aus?«
    »Das können Sie mir glauben. Ich habe zahlreiche Bücher gelesen, in denen Texte und Bilder aus der Vergangenheit zu sehen waren. Und dieses Schwert ist schon etwas Besonderes gewesen«, sagte er mit Nachdruck.
    »Also das eines Henkers.«
    »Ja, Sir.«
    Ich legte meine Stirn in Falten. »Dann kann ich davon ausgehen, dass dieser Mensch, den Sie hier im Spiegel gesehen haben, ein Henker ist.«
    »Das sehe ich so.«
    In den folgenden Sekunden schwieg ich. Erst mal wollte ich nachdenken.
    Was hatte ich gehört? Da erschien ein Henker in der leeren Spiegelfläche und verschwand wieder. Und dieser Spiegel, der möglicherweise ein transzendentales Tor bildete, stand in einer Kirche, was äußerst ungewöhnlich war.
    Ein Henker war jemand, der Menschen umbrachte. In der Regel verachteten ihn die Leute, aber er wurde auch gebraucht, und wenn er eine Unterkunft haben wollte, dann möglichst weit weg von den ach so braven Bürgern, die jemanden brauchten, der sich für sie die Hände schmutzig machte.
    »Worüber denken Sie nach, Sir?«
    »Das ist doch klar, über den Henker. Und ich frage mich, warum er sich ausgerechnet hier in der Kirche manifestiert hat.«
    »Darüber denke auch ich nach.«
    »Und einen Grund haben Sie nicht gefunden?«
    »So ist es.«
    Ich deutete auf den Spiegel, der etwa die Größe eines Menschen hatte. An den vier Kanten war er abgerundet und sein Rahmen schimmerte in einem hellen Braun. An ihm war nichts Besonderes, da fiel nichts aus der Rahmen, selbst die Fläche nicht, die deshalb so glänzte, weil sie immer wieder geputzt wurde.
    »Und wann ist es so weit?«, fragte ich.
    »Wie meinen Sie

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