Der Einbruch des Meeres
betrachtete, das ihm einen hübschen Profit abwerfen sollte.
Inzwischen war Sohar von seinem Sitze aufgestanden.
»Zu welcher Stunde erwartet uns Hadjar? fragte er.
– Zwischen elf Uhr und Mitternacht, antwortete Harrig.
– Das Boot muß am besten schon früher zur Stelle sein, meinte Sohar, und wenn es meinen Bruder aufgenommen hat, bringen wir ihn nach dem Marabout, wo schon Pferde bereit stehen…
– Dort, bemerkte der Mercanti, lauft ihr auch nicht Gefahr gesehen zu werden; bis zum Morgen kommt gewiß kein Mensch dorthin an den Strand.
– Was soll aber mit dem Boote werden? sagte Horeb.
– Zieht es nur auf den Strand herauf, da werd’ ich’s schon wiederfinden«, antwortete der Mercanti.
Nun hatte man sich nur noch über eine Frage zu einigen.
»Wer von uns wird Hadjar abholen? fragte Ahmet.
– Natürlich ich, erklärte Sohar.
– Und ich werde dich begleiten, sagte die alte Tuareg.
– Nein, Mutter, nein, erwiderte Sohar. Unser zwei sind wir genug, das Boot nach dem Bordj zu rudern. Träfe uns jemand, so könnte deine Anwesenheit Verdacht erregen. Du solltest nach dem Marabout gehen; Horeb und Ahmet mögen dich begleiten. Harrig und ich werden meinen Bruder im Boote dahin bringen.«
Djemma sah ein, daß Sohar recht hatte, darum sagte sie nur noch:
»Und wann sollen wir uns trennen?
– Augenblicklich, erklärte Sohar. In einer halben Stunde werdet ihr bei dem Marabout sein, und wir in derselben Zeit mit dem Boote am Fuße des Forts und an dem Winkel der Bastion, wo es keiner bemerken kann. Erschiene dann mein Bruder nicht zur verabredeten Stunde, so würde ich… ja, ich würde es versuchen, bis zu ihm einzudringen.
– Ja, und Allah sei mit dir, mein Sohn, denn wenn er diese Nacht nicht fliehen kann, so werden wir ihn niemals, niemals wiedersehen!«
Die entscheidende Stunde war herangekommen. Horeb und Ahmet gingen voraus auf der schmalen Straße, die zum Markte hinunterführte. Djemma folgte ihnen und trat allemal tiefer in den Schatten, wenn andere Personen ihren Weg kreuzten. Durch Zufall hätte sie ja mit dem Wachtmeister Nicol zusammentreffen können, und gerade jetzt kam es doch sehr darauf an, daß dieser sie nicht erkannte. Jenseits der Grenze der Oase war keine Gefahr mehr, und auf dem Wege längs der Dünen begegnete man gewiß keiner lebenden Seele.
Kurz nach den Dreien verließen auch Sohar und Harrig das Kaffeehaus. Wo das Boot des Mercanti lag, war ihnen bekannt, und sie zogen es deshalb vor, daß dieser sie nicht begleitete; er hätte ja von einem verspätet Heimkehrenden bemerkt werden können.
Jetzt war es erst kurz nach neun Uhr. Sohar und sein Genosse begaben sich nach dem Fort zu und schlichen an dessen Umwallung an der nach Süden gerichteten Seite hin.
In dessen Innern, sowie auch draußen, erschien alles still; der geringste Lärm wäre ja hörbar gewesen bei der so ruhigen, von keinem Windhauche gestörten Atmosphäre. Dazu war es tiefdunkel, denn unbewegliche, schwere Wolken bedeckten den Himmel von einem Horizonte bis zum andern.
Nur als Sohar und Harrig ans Ufer kamen, fanden sie dieses noch einigermaßen belebt. Hier begegneten sie teils Fischern, die mit dem Ertrage ihres Fanges zurückkehrten, teils auch solchen, die sich erst nach ihren Booten begaben, um nach dem Golf hinauszufahren. Da und dort blitzten Lichtstrahlen im Schatten der Nacht auf und kreuzten einander in jeder Richtung. Einen halben Kilometer draußen verriet sich die Anwesenheit des Kreuzers ‘Chanzy’ durch dessen mächtige Lichter, die glänzende Bahnen auf die Meeresfläche warfen.
Die beiden Targui bemühten sich, den Fischern möglichst aus dem Wege zu gehen, und wandten sich einer am Außenhafen noch im Bau befindlichen Mole zu.
Am Fuße dieser Mole lag das Boot des Mercanti. Laut Verabredung hatte sich Harrig schon eine Stunde früher davon überzeugt, daß es sich an seinem Platze befand. Darin lagen auch Ruder unter den Querbänken, es war also alles zum Einsteigen bereit.
Eben als Harrig aber den kleinen Anker ausheben wollte, faßte ihn Sohar am Arme. Zwei Zollbeamte, die diesen Teil der Küste zu überwachen hatten, schienen sich ihnen zu nähern. Vielleicht kannten sie den Eigentümer des Bootes, und dann mußte es ihnen auffallen, Sohar und dessen Begleiter damit hantieren zu sehen.
Jedenfalls war es besser, keinerlei Verdacht zu erregen und ihr Unternehmen so unbeachtet wie möglich auszuführen. Die Zollbeamten hätten ja Sohar und Harrig wahrscheinlich gefragt,
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