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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Wüste jagte.
    Übrigens hatte der Mercanti noch nichts davon bemerkt, daß sich schon eine Nachricht von der Flucht verbreitete, und er wäre doch gewiß einer der ersten gewesen, davon zu hören.
    Schon mußte jetzt das Morgenrot bald den Horizont im Osten des Golfes erhellen. Sohar wollte sich nicht zu lange aufhalten. Die bejahrte Frau sollte den Marabout jedenfalls verlassen haben, ehe es voller Tag wurde, denn sie war vielen bekannt, und an Stelle des Sohnes würde sie jetzt jedenfalls verhaftet worden sein.
    Sohar kam also zu ihr zurück, als es noch ziemlich finster war, und von ihm geleitet, schlug sie den Weg an den Dünen hin ein.
    Am Morgen lief eins der Boote des Kreuzers im Hafen ein, um sich den Gefangenen ausliefern zu lassen.
    Als der Aufseher die von Hadjar bewohnte Zelle geöffnet hatte, konnte er nur das Verschwinden des Tuareghäuptlings melden. Wie die Entweichung ausgeführt worden war, ließ sich ohne Schwierigkeit nachweisen, als man auch den Abflußkanal untersucht und dessen Gitter ausgebrochen gefunden hatte. Hatte nun Hadjar versucht, schwimmend zu entfliehen, und war dann nicht anzunehmen, daß er von den Strömungen des Golfs nach der offnen See hinaus verschlagen worden wäre? Oder sollte ihn ein von seinen Anhängern beschafftes Boot vielleicht irgendwo ans Ufer befördert haben?
    Das konnte vorläufig niemand entscheiden.
    Nachforschungen in der Nachbarschaft der Oase erwiesen sich als erfolglos, nirgends war eine Spur des Flüchtlings zu entdecken. Weder die Ebenen des Djerib noch die Gewässer der Kleinen Syrte gaben ihn – lebend oder tot – wieder zurück.
Viertes Kapitel.
Das Saharameer.
    Nach höflicher Begrüßung der Anwesenden, die seiner Einladung gefolgt waren, und nach Darbringung seines Dankes an die französischen und tunesischen Offiziere und Beamten, die neben hervorragenden Persönlichkeiten von Gabes der Versammlung beiwohnten, richtete Herr von Schaller an diese folgende Worte:
    »Jedermann, meine Herren, wird zugeben müssen, daß infolge der Fortschritte der Wissenschaften die Verbindung der Geschichte und der Legende mehr und mehr unhaltbar geworden ist. Die eine muß untergehen, um der andern das Feld zu räumen. Die Legende ist das Gebiet der Dichter, die Geschichte das der Gelehrten, und beide haben ja auch ihre eigene Anhängerschaft. Bei voller Anerkennung des Verdienstes oder Wertes der Legende, muß ich sie heute doch ins Reich der Phantasie verweisen und kann nur Tatsachen in Rechnung ziehen, die durch streng wissenschaftliche Beobachtungen bestätigt sind.«
    Der neue Saal des Kasinos in Gabes hätte kaum eine Zuhörerschaft aufnehmen können, die besser geeignet gewesen wäre, den interessanten Darlegungen des Vortragenden zu folgen. Bei den Anwesenden herrschte schon im voraus eine günstige Stimmung bezüglich des Projektes, das eben erörtert werden sollte. Nur einige Eingeborne, die sich Zutritt zu verschaffen gewußt hatten, bewahrten eine überlegene Zurückhaltung. Das geplante Unternehmen, über dessen Geschichte sich von Schaller eben verbreiten wollte, wurde ja von den seßhaften wie von den nomadisierenden Stämmen des Djerib schon seit einem halben Jahrhundert mit scheelen Augen angesehen.
    »Wir mögen gern anerkennen, fuhr von Schaller fort, daß die Alten sehr phantasiereiche Leute gewesen sind, und die Geschichtsschreiber früherer Zeiten haben, wenn auch unbewußt, in ihrem Banne gestanden und Geschichte geschrieben, die nur auf Überlieferungen fußte. Es hat den Anschein, als ob sie sich für ihre Berichte hätten von rein mythologischen Eingebungen begeistern lassen.
    Ich erinnere Sie, meine Herren, nur an das, was uns Herodot, Pomponius Melas und Ptolemäus hinterlassen haben. Der erste spricht in seiner ‘Völkergeschichte’ von einem Lande, das bis zu dem in die Bai gleichen Namens mündenden Flusse Triton reichte. Er erzählt, als eine Episode aus der Argonautenfahrt, daß Jasons Schiff, von Stürmen an die lybische Küste verschlagen, nach Westen bis in den sogenannten tritonischen See getrieben wurde, dessen westliches Ufer unsichtbar war. Danach müßte man also schließen, daß der genannte See jener Zeit mit dem Meere in Verbindung gestanden habe. In seiner ‘Umschiffung des Mittelländischen Meeres’ berichtet übrigens Scylax dasselbe über diesen ausgedehnten, ringsum von lybischen Volksstämmen bewohnten See, der an der Stelle der heutigen Sebkhas und Schotts gelegen haben müßte, mit der Kleinen Syrte aber nur

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