Der Einbruch des Meeres
oder anderwärts von Nutzen sein könnte, da es gleich an der Baustelle liegt, und wenn unser heutiges Material auch besser ist, so müßte dieses doch erst herangeschafft werden.
– Zogen aber die Karawanen nicht mit Vorliebe gerade durch das Schott? fragte Leutnant Vilette.
– Gewiß, und das tun sie auch noch gegenwärtig. obgleich der Weg auf dem unsichern, nachgiebigen Boden ziemlich gefährlich ist; er ist aber kürzer und weniger beschwerlich, als ein Zug längs der von Dünen überlagerten Ufer. Wir werden jedoch diesem Wege in westlicher Richtung hin bis zu dem Punkte folgen, von dem der zweite Kanal ausgeht. Auf dem Rückwege, nach Inspizierung der Grenzen des Melrir, können wir dann der nördlichen Grenzlinie folgen und erreichen damit Gabes schneller, als wir von da hierhergekommen sind.«
Darauf kam der vorher festgelegte Plan hinaus, und nach Besichtigung der beiden Kanäle würde der Ingenieur das neue Meer vollständig umkreist haben.
Am nächsten Tage setzten sich von Schaller und die beiden Offiziere an die Spitze des Reitertrupps. Coupe-à-Coeur sprang lustig voraus und scheuchte dabei große Schwärme von Staaren auf, die mit dumpfrauschendem Flügelschlag entflohen. Die Expedition folgte der hohen, gleichsam den Rahmen des Schotts bildenden Dünenkette. An dieser Stelle war es, entgegen früher genährten Befürchtungen, völlig ausgeschlossen, daß später die Wassermasse den Rand der Bodensenkung überschreiten und noch nach der Umgebung abfließen könnte. Die aufsteigende Uferwand, fast ein Abbild des Hügelrückens an der Küste von Gabes, war von solcher Art, daß sie dem Drucke des Wassers bestimmt nicht nachgab, und für den südlichen Teil des Djerid war damit also jede Überschwemmungsgefahr ausgeschlossen.
Der Aufbruch vom Nachtlager erfolgte in den ersten Morgenstunden, und die bisherige Marschordnung wurde unverändert beibehalten. Auch die täglich zurückzulegende Wegstrecke sollte dieselbe bleiben wie vorher und bei zwei Etappen zwölf bis fünfzehn Kilometer nicht übersteigen.
Herrn von Schaller kam es ausschließlich darauf an, sich von dem Zustande des Ufergeländes zu überzeugen, das später das neue Meer umschließen sollte, und vorzüglich auch davon, daß nicht zu befürchten sei, daß das Wasser, sein Ufer übersteigend, die nächste Umgebung gefährde. So ritt die kleine Truppe also immer am Fuße der sandigen Dünen weiter, die sich nach Westen längs des Schotts hinzogen. Hier erwies sich, was etwa zu vermeidende Gefahren betraf, das Eingreifen des Menschen in das Werk der Natur entschieden unnötig. Ob das Rharsa jemals ein See gewesen war oder nicht, jedenfalls erwies es sich für einen solchen wie geschaffen, und das Wasser des Golfs von Gabes, das der erste Kanal ihm zuführen sollte, wurde sicherlich innerhalb der dafür vorausgesehenen Grenzen zurückgehalten.
Bei dem Weitermarsche bot sich übrigens auch Gelegenheit, die Bodensenke in weiter Ausdehnung zu überblicken. Die von den Strahlen der Sonne gebadete Oberfläche dieser unfruchtbaren »Schüssel« des Rharsa blinkte so glänzend herüber, als ob sie mit einer Lage von Silber, Kristall oder Kampfer bedeckt wäre. Der blendende Schein war für die Augen kaum zu ertragen, und man mußte sich mit rauchgeschwärzten Gläsern schützen, um Augenentzündungen zu vermeiden, die bei dem grellen, in der Sahara herrschenden Lichte sehr häufig vorkommen. Die Offiziere und ihre Leute hatten sich auch schon im voraus mit solchen Gläsern versorgt, und der Wachtmeister Nicol hatte sogar eine große Schutzbrille für sein Pferd erworben. Va d’l’avant schien aber gar keine Lust zu haben, das Ungeheuer von Gestell zu tragen. Es sah doch auch etwas gar zu lächerlich aus, und Coupe-à-Coeur erkannte gar nicht mehr das Gesicht seines Kameraden hinter diesem optischen Instrumente. Weder Va d’l’avant noch eines der andern Pferde wurde also mit dem für ihre Herren unentbehrlichen Schutzmittel ausstaffiert.
Das Schott zeigte im großen und ganzen das Bild der Salzseen, die im Sommer unter der Einwirkung der tropischen Hitze austrocknen. Ein Teil des frühern Wasserbestandes sinkt aber in den sandigen Boden ein und läßt allmählich die Gase austreten, die er enthielt. Dann bilden sich auf der Oberfläche kleine Erhöhungen, so daß er einem am Maulwurfshaufen bedeckten Felde ähnelt.
Bezüglich des Untergrundes des Schotts erklärte der Ingenieur den beiden Offizieren, daß dieser aus quarzhaltigem,
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