Der Einbruch des Meeres
nichts, als auf die langblätterige Graminee, die von den Eingebornen »Driß« genannt wird und nach der die Kamele sehr lüstern sind, was den Kafilas des Djerid recht fühlbar zu statten kommt.
Zwischen Aufgang und Untergang der Sonne erlitt der Marsch keinerlei Störung, und bis zum Tagesanbruch wurde die Ruhe des Lagers in keiner Weise unterbrochen. Wohl tauchten in großer Entfernung vom nördlichen Ufer des Kanales vereinzelte Rotten von Arabern auf, die nach den Bergen des Aures zogen, sie beunruhigten aber den Kapitän Hardigan nicht, und dieser hatte auch keine Veranlassung, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen.
Am nächsten Tage, am 2. April, wurde der Marsch auf Nefta zu, unter gleichen Umständen wie tags zuvor, wieder aufgenommen, d.h. bei bedecktem Himmel und erträglicher Wärme. Mit der Annäherung an die Oase veränderte sich das Land allmählich und der Erdboden wurde nach und nach fruchtbarer. Die Ebene war geschmückt mit dem Grün der zahlreichen Alfastengel, zwischen denen sich kleine Oueds hinwanden. Hier und da erschien auch der Feldwermut wieder, und etwas höher gelegne Stellen waren mit Nopal (Cochenillekakteen) eingehegt, oder Flächen mit hellblauen Blumen – Winden und Feldnelken – erfreuten das Auge. Weiterhin erhoben sich Baumgruppen, Oliven-und Feigenbäume am Rande der Wasserläufe, und endlich schlossen den Horizont dichte Wälder von Gummiakazien ab.
Die Fauna dieser Gegend wies nur wenige Antilopen auf, die in Rudeln mit solcher Schnelligkeit entflohen, daß sie schon nach einigen Augenblicken verschwunden waren. Selbst Va d’l’avant hätte sich, wie hoch ihn sein Herr auch einschätzte, mit jenen nicht im Laufen messen können. Was Coupe-à-Coeur betraf, so bellte der nur wütend, wenn einige Stumpfschwanzaffen, die in der Gegend der Schotts sehr zahlreich vorkommen, von Baum zu Baum voltigierten. Zuweilen zeigten sich auch einzelne Büffel und wilde Schafe, deren Verfolgung jedoch nutzlos gewesen wäre, da in Nefta frischer Proviant beschafft werden konnte.
Die gewöhnlichsten Raubtiere in diesem Teile des Djerid sind die Löwen, deren Angriffe recht gefährlich werden können. Seit den Kanalarbeiten waren diese aber mehr nach der algerischen Grenze und nach der Umgegend des Schotts Melrir verdrängt worden.
War deshalb hier ein Überfall von Raubtieren kaum zu befürchten, so konnten sich Menschen und Tiere nur mit Mühe der Skorpione und der Pfeiferschlangen – der »Najas« der Naturforscher – erwehren. Von beiden wimmelte es geradezu mit der Annäherung an das Rharsa. Die Unmenge dieser Reptilien ist an manchen Stellen so groß, daß sie ganz unbewohnbar sind, wie unter andern das Djerid Teldja, das von den Arabern hat verlassen werden müssen. In dem nahe bei einem Tamarindengehölz aufgeschlagenen Nachtlager konnten sich von Schaller und seine Begleiter nur unter Beobachtung der peinlichsten Schutzmaßregeln der Ruhe hingeben. Natürlich schlief der Wachtmeister Nicol hier nur, wie man sagt, mit einem Auge, während Va d’l’avant mit beiden schlief. Coupe-à-Coeur blieb dagegen wach und hätte sicher bei dem leisesten verdächtigen Geräusch angeschlagen, das das Pferd oder seinen Herrn zu bedrohen schien.
Kurz, auch in dieser Nacht ereignete sich kein Zwischenfall, und die Zelte wurden bald nach dem Morgengrauen abgebrochen. Die vom Kapitän Hardigan eingehaltene Richtung führte immer weiter nach Westen, wobei sich der Weg schon von Tozeur aus nirgends vom Kanale entfernte. Erst zehn Kilometer von Nefta wendete er sich nach Norden, und von diesem Knie aus zog die Expedition dann auf dem Meridian hin, wenn sie Nefta wieder verließ, wo sie am Nachmittage dieses Tages eintraf.
Die Länge des Kanals hätte vielleicht um fünfzehn Kilometer verkleinert werden können, wenn es möglich gewesen wäre, das Rharsa in der Richtung von Tozeur her an seiner östlichen Grenze zu erreichen. Die Ausführung dieser Linie hätte aber außerordentliche Schwierigkeiten geboten. Ehe man von dieser Seite her an das Schott gelangte, hätte ein sehr harter, mit vielem Felsgestein vermischter Erdboden ausgehoben werden müssen. Das wäre mindestens eine ebenso kostspielige und zeitraubende Arbeit gewesen, wie die Durchstechung der Uferhöhe von Gabes. Aus diesem Grunde hatte die französisch-orientalische Gesellschaft nach sorgsamer Besichtigung und Vermessung dieser Gegend durch ihre Ingenieure auf diese Linienführung verzichtet, und dafür, von Nefta zwölf Kilometer
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