Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
morgen doch nicht wieder eingestellt werden konnten.
    Die Pferde trabten ziemlich schnell dahin. Offenbar wirkte auf sie das Gewitter ein, das nun bald losbrechen mußte. In der Luft lag eine starke elektrische Spannung, und jetzt reichten die Wolken von einem Horizont zum andern. Überall zuckten sich kreuzende Blitze, die das Himmelsgewölbe zu zerreißen schienen, und immer krachte der trockne, knatternde Donner, der den Wüstenebenen eigen ist, wo er kein Echo findet, das ihn an-und abschwellend wiederholte. Übrigens hatte sich noch kein Windhauch spüren lassen und war noch kein Regentropfen gefallen. Man erstickte fast in der schwülen Atmosphäre, wo die Lungen nur eine glühheiße Luft atmeten.
    Verschlimmerte sich der Zustand des Wetters nicht beträchtlich, so glaubte Leutnant Vilette immerhin, daß er mit seinen Leuten den Rückweg, zwar unter großer Anstrengung, doch ohne wesentliche Verzögerung zurücklegen würde. Am meisten war nur zu befürchten, daß das Gewitter einen Sturm zur Folge haben könnte. Was sollte man gegen das Wüten des Windes und gegen einen Regenguß in dieser dürren Ebene, in der kein einziger Baum aufragte, den geringsten Schutz finden?
    Vor allem galt es also, den Kilometerstein 347 so bald wie möglich zu erreichen. Die Pferde waren aber leider nicht imstande, dem Antreiben ihrer Reiter zu entsprechen, obgleich sie es, freilich vergeblich, versuchten. Zuweilen blieben sie sogar gänzlich stehen, als wären ihre Hufe an den Boden gefesselt, trotzdem daß ihre Seiten unter den Sporen bluteten. Doch auch die Menschen fühlten sich bald erschöpft und außerstande, die letzten Kilometer des Weges zu überwinden. Selbst der sonst so ausdauernde Va d’l’avant war mit seinen Kräften zu Ende, und bei jedem Schritte fürchtete sein Herr, ihn auf dem glühenden Sande des Erdbodens zusammensinken zu sehen.
    Immerhin waren unter den anfeuernden Zurufen des Leutnants gegen sechs Uhr abends drei Viertel des Weges zurückgelegt. Wäre die am westlichen Horizonte schon tief stehende Sonne nicht von einer dicken Wolkenbank verhüllt gewesen, so hätte man in der Entfernung einer Lieue jetzt schon die glitzernden Effloreszenzen des Melrir sehen müssen. An seiner Grenze zeigten sich schon undeutlich die Baumdickichte der Oase, und angenommen, es bedürfte noch einer Stunde, sie zu erreichen, so konnte es doch noch nicht völlig Nacht sein, wenn die kleine Truppe bei den ersten Bäumen anlangte.
    »Vorwärts, Kameraden! rief der Leutnant wiederholt. Nur noch eine letzte Anstrengung!«
    So willig und ausdauernd die Mannschaften aber auch waren, sah er doch den Zeitpunkt herannahen, wo die kleine Reiterschar in Unordnung kommen würde. Schon jetzt blieben einzelne Leute bisweilen zurück, und um sie nicht ihrem Schicksal zu überlassen, war man gezwungen, auf die Nachzügler zu warten.
    Es erschien wirklich wünschenswert, daß das schon so lange drohende Unwetter in andrer Weise als nur mit Blitz und Donner zum Ausbruche käme. Besser war es auf jeden Fall, wenn der Wind die Luft leichter atembar machte und die mächtigen Dunstmassen sich zu Regen verwandelten. An der Luft… an der Luft fehlte es am meisten, und die Lungen arbeiteten nur unzulänglich in der erstickenden Atmosphäre.
    Endlich erhob sich der Wind, doch gleich mit der Heftigkeit, die man beim Vorhandensein großer Elektrizitätsmengen in der Luft zu beobachten pflegt. Überdies kam es zu einander entgegengesetzten Luftströmen, die da, wo sie aufeinander prallten, furchtbare Wirbel bildeten. Ein betäubendes Geräusch, ein Pfeifen von kaum glaublicher Schärfe, begleitete noch das Krachen und Knattern des Donners. Da noch kein Regen den Staub auf der Erde festhielt, entstand eine ungeheure Windhose, die sich unter dem Einflusse des elektrischen Fluidums mit entsetzlicher Geschwindigkeit drehte und deren saugendem Zuge kaum jemand zu widerstehen vermochte. Man hörte auch das Kreischen der von dem Wirbel gepackten Vögel, von denen sich selbst die stärksten nicht daraus zu befreien vermochten.
    Die Pferde befanden sich gerade in der Bahn dieser Trombe. Von ihr wurden sie eins vom andern weggerissen, und mehrere Reiter waren bald aus dem Sattel geworfen. Keiner sah, keiner hörte mehr den andern, aller Zusammenhang war zerrissen. Die Windhose hüllte alles ein, während sie langsam nach den südlichen Ebenen des Djerid abzog.
    Über die Richtung, der der Leutnant Vilette unter diesen Umständen folgte, konnte er sich nicht im

Weitere Kostenlose Bücher