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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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austauschen. Warum auch nicht.
    Ich setze mich in Bewegung, laufe zu ihm, sehe ihn an und hocke mich schließlich neben ihn. Mein Herzschlag wird schneller, ohne dass ich etwas dagegen tun kann. Ich atme tief ein und nehme seinen Geruch wahr, Kaugummi, Shampoo, Lederjacke, ganz bisschen Rauch.
    »Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du mich nicht Filmmädchen nennen sollst.« Ich starre geradeaus in den dunklen Saal und muss mich zwingen, meine Hände ruhig zu halten, nicht an meinen Nägeln zu knabbern.
    »Mir wäre es lieber, wenn du mal zur Abwechslung etwas Nettes zu mir sagst«, erwidert Milo, und ich fühle, wie er mich von der Seite anschaut. Jetzt nicht nachdenken! Bloß nicht nachdenken und rot werden! Nicht an in einer Minute denken, sondern jetzt sein! Und handeln!
    Ich drehe meinen Kopf zu ihm, bin überrascht, wie nah er mir ist, und sage: »Etwas Nettes? Also … du hast so unglaublich weiße Zähne …« Und bevor ich mich drüber wundern kann, wie ich um alles in der Welt auf so einen Schwachsinn komme, spüre ich Milos Lippen auf meinen. Weiche Lippen, die sich jedoch ohne Zögern auf meine drücken, fest und dann wieder ein wenig sanfter, und ich kann nicht anders, als meine Augen zu schließen und diesen Kuss zu erwidern, am besten bis in alle Ewigkeiten und noch ein bisschen länger.
    Aber dann, nur ein paar Sekunden später, gerade als unsere Zungen sich berühren wollen, schiebe ich Milo weg und meine Hand klatscht auf seine Wange, und noch ehe ich weiß, was ich da eigentlich tue, renne ich aus dem Saal, in den Flur und durch den Notausgang nach draußen.
    Verdammter Mist!
    Was war das eben?
    Mein Herz klopft zu schnell, ich versuche, wieder zu Atem zu kommen. Und klar zu denken.
    Aber es geht nicht, die Gedanken rasen durcheinander, wild, lassen sich nicht kontrolieren.
    So ungefähr: »Aber Linda … Ich kann es nicht fassen … hab ich es herausgefordert … Ich liebe diese Lederjacken, wenn ich in Berlin bin, kaufe ich mir … Wie ich wohl geküsst habe … Ob Papa zufrieden damit ist, dass ich Salat … Milo ist doch vielleicht eine Abkürzung für einen anderen Namen … Wie soll ich ihm bloß wieder unter die Augen … Shit … die Kamera!«
    Ich habe meine Kamera auf der Bühne liegen lassen.
    Okay, durchatmen.
    Ich muss sie holen. Eigentlich auf der Stelle. Wenn die verschwindet, ist nicht nur mein Auftrag hier beendet, auch meine Eltern wären schrecklich wütend, weil sie viel zu viel Geld ausgegeben haben, um mir diesen Geburtstagswunsch zu erfüllen.
    Ich bringe meine Haare in Ordnung und zupfe mein Shirt wieder zurecht, und dann noch schnell der coole Blick. So trete ich wieder in den Saal, mit einem vorgefertigten Satz auf den Lippen: »Reden wir nicht drüber, ich muss nur meine Kamera …«
    Aber da ist niemand. Kein Milo mehr. Die Bühne ist leer, nur meine Kamera liegt noch da.
    Erleichtert und enttäuscht gleichzeitig ist ein komisches Gefühl.
    Ich hänge mir die Kameratasche über die Schulter und gehe an die frische Luft. Spazieren, ein Stück laufen, erst zum Konzert wiederkehren.
    Die Havel bietet sich an, lädt mich ein, Steine in ihre kleinen Wellen zu werfen, am Ufer entlangzuschlendern und mich wieder zu beruhigen.
    Kein Grund zu Panik. Eigentlich ist nichts passiert. Ein harmloser Kuss, meine Güte. Was soll’s? Vielleicht war es ja auch ein Versehen. Nix passiert, nichts, womit man Linda erschrecken sollte, nichts, was man überhaupt ir gendwie thematisieren müsste. Ist ja sowieso alles ganz locker hier. Habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen. Die berühmte Rockstar-Freizügigkeit, nichts weiter dabei. Milo wollte sich wahrscheinlich einen Spaß machen, mal testen, wie weit er gehen kann. Wie weit sein Charme reicht. Milo ist mir völlig egal.
    Aber schon wenige Minuten später, als ich am Flussufer sitze und die Videoaufnahmen vom Vortag sichte, eine Nahaufnahme von Milo, wie er mit scheuem Blick seine Bandkumpels anlächelt, da spüre ich wieder diese Unruhe in mir und fasse mir an die Lippen, als wäre da noch etwas übrig von diesem Kuss.
    Wer hätte gedacht, dass es keine zwei Tage braucht, um kompliziert zu werden?
    Als ich zurückkehre, etwas ruhiger trotz allem, steht schon eine Traube Menschen vor dem Jugendclub und raucht, quatscht, lacht, schießt Fotos mit dem Handy.
    Im Vorbeilaufen sehe ich Dan in einer Mädchengruppe stehen und quasseln. Er grinst und gestikuliert wild, als würde er Witze erzählen oder Insiderwissen preisgeben. Auf jeden

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