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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Hinsicht eher zurückhält.«
    Insgeheim hatte Eva ihm beigepflichtet, Henry war wirklich nicht sehr ehrgeizig. Immer und immer wieder hatte sie ihm vorgeschlagen, eine bessere Arbeit zu finden, die Schule zu verlassen und sich einen Job in der Industrie oder im Versicherungsgewerbe zu suchen, wo sich eine Menge Geld verdienen ließe. Es hatte nichts genützt. Henry war ein Miesepeter. Daher ruhten jetzt alle ihre Hoffnungen für die Mädchen und ihr eigenes Alter auf Onkel Wally und Tante Joan. Die beiden hatten sich in den Fünfzigern kennen gelernt, als Wally Pilot bei der U.S. Air Force im britischen Lakenheath gewesen war. Joan hatte damals im Supermarkt der Luftwaffenbasis gearbeitet. Eva hatte ihre Tante immer gemocht, und jetzt mochte sie sie ganz besonders, nachdem sie Wally Immelmann von Immelmann Enterprises in Wilma, Tennessee, geheiratet hatte, wo sie ein brandneues Herrenhaus besaßen sowie ein Anwesen an einem See in irgendwelchen Wäldern, wo genau, vergaß Eva immer wieder. Während sie sich also im Haus nützlich machte, Staub saugte und alles auf Vordermann brachte, bevor sie zum Gemeindezentrum fuhr, um dort als freiwillige Helferin mitzuarbeiten – es war Donnerstag und Seniorenessen, gefolgt von einem Tanztee –, malte sie sich in den schillerndsten Farben aus, was für sie bei dem Ganzen herausspringen könnte. Sie brachte es nicht fertig, sich Onkel Wallys Tod herbeizuwünschen; dass er an einem Herzinfarkt starb, oder besser noch, dass er in seinem zweimotorigen Kleinflugzeug abstürzte, gemeinsam mit Tante Joan. Solche Gedanken waren niederträchtig und lauerten unter der Oberfläche von Evas liebenswürdigem Wesen. Dennoch, sie waren nicht mehr ganz jung und … Nein, so etwas durfte sie wirklich nicht denken. Es ging um die Zukunft der Mädchen, und da war keine Eile geboten. Außerdem war allein schon die Reise nach Amerika ein großes Abenteuer, das den Horizont der Vierlinge erweitern und ihnen Gelegenheit geben würde, mit eigenen Augen zu sehen, dass in Amerika jeder erfolgreich sein konnte. Sogar Wally Immelmann, ein einfacher Junge von einer kleinen Farm auf dem Lande, hatte es zum Multimillionär gebracht. Und das nur, weil er Unternehmungsgeist bewiesen hatte. Für Eva war Onkel Wally ein viel besseres Vorbild als Wilt. Was sie wieder zu dem Problem Henry brachte. Sie wusste, wie er sich in Wilma aufführen würde, er würde sich in miesen Kaschemmen voll laufen lassen, sich weigern, zur Kirche zu gehen, und sich mit Wally über so ziemlich alles streiten. Sie dachte an den grauenhaften Abend in London, als die Immelmanns vorbeigekommen und sie zum Abendessen in ihr schrecklich nobles und beängstigend teures Hotel eingeladen hatten. Wie hieß es noch gleich? Tavern by the Park. Irgendwann war Henry entsetzlich betrunken gewesen, und Wally hatte so was gesagt wie: Tommys könnten keinen Schnaps vertragen. Eva verbannte diese Erinnerung in die hinterste Schublade ihres Gedächtnisses und widmete ihre Aufmerksamkeit dem alten Mr. Ackroyd, der meinte, sein Pissbeutel habe sich gelöst, und ob sie ihn nicht wieder befestigen könne. Man müsse dazu lediglich … Nein, das würde sie ganz gewiss nicht tun. So hatte er sie schon mal reingelegt, so dass sie schließlich vor seinem Rollstuhl gekniet und seinen Penis gehalten hatte, während die anderen alten Leute ebenso interessiert wie lüstern zugeschaut und sie ausgelacht hatten. Sie würde sich von dem schmutzigen alten Kerl nicht wieder reinlegen lassen.
    »Ich hole Schwester Turnbull«, sagte sie zu ihm. »Die wird den Beutel so befestigen, dass er sich nicht wieder löst.« Sie ließ den bedauernswerten Mr. Ackroyd zurück, der sie anflehte, es nicht zu tun, ging los und holte die stämmige Schwester Turnbull. Anschließend musste sie sich mit Mrs. Limley herumschlagen, die wissen wollte, wann der Bus nach Crowborough fuhr.
    »Bald, sehr bald, meine Liebe«, teilte Eva ihr mit. »Sie brauchen jetzt nicht lange zu warten, aber ich musste gestern über eine halbe Stunde warten, bis er kam.«
    Mit ein bisschen Glück hatte Mrs. Limley in einer halben Stunde vergessen, dass sie sich nicht mal in der Nähe von Crowborough befand und dass das Gemeindezentrum nicht der Busbahnhof war, und dann war sie wieder recht glücklich. Deswegen kam Eva in das Gemeindezentrum, das war ja ihr Ziel: die Leute glücklich zu machen. Kurzum, sie verbrachte den Vormittag damit, ihr kleines Scherflein dazu beizutragen, dass sich die Senioren wohl

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