Der einsame Baum - Covenant 05
Füßen und beinahe auch vom Mast. Aber er ließ sich fallen und schlang die Beine um den Mastbaum, so daß seine starken Schenkel ihm dem Sturm zum Trotz Halt verschafften. Die Narbe unter seinen Augen warf Helligkeit zurück, als habe sein Gesicht zu glosen begonnen. Covenant hing schlaff und teilnahmslos über seinen Schultern. Mittlerweile hatten Aale die Hälfte des Abstands überwunden, der sie auf dem Mast noch von Seeträumer trennte. Zwischen ihm und dem Tod stand nur ein einziger, unbewaffneter Haruchai .
Der Kapitän, aus Eindringlichkeit fast in Raserei verfallen, brüllte seinem Bruder etwas zu. Seeträumer hörte und verstand ihn. Er nahm den Zweifler von den Schultern und bettete ihn sich auf den Schoß. Dann begann er die in seiner Reichweite befindlichen Wanten zu lösen. Wenn er an diese oder jene Knoten nicht gelangte oder sie nicht schnell genug aufknüpfen konnte, zerriß er die Taue, als wären sie bloß Nähgarn. Und so rasch er das Tauwerk zu zerlegen oder zu zerreißen vermochte, gab er die Stücke an Brinn weiter. Damit bewehrt, stellte sich der Haruchai den Aalen entgegen. In einer Haltung, die eine unglaubliche Mischung aus Vorsicht und Kühnheit verkörperte, drosch er auf die Tiere ein, fegte sie mit seinen behelfsmäßigen Peitschen vom Mast. Manche Stücke waren zu kurz, um ihm die Hitze der Entladungen gänzlich zu ersparen; irgendwie aber blieb er unbeschadet und focht weiter. Sobald sein Vorrat an Taulängen erschöpft war, balancierte er hinauf zu Seeträumer, um die Stücke an sich zu raffen, die der Riese unterdessen für ihn vorbereitet hatte. Von Lindens Standort aus wirkten Covenants Verteidiger ebenso heroisch wie dem Untergang geweiht. Die begrenzte Breite des Mastbaums beschränkte die Menge der Aale, die sich gleichzeitig näher winden konnte. Andererseits jedoch fand Brinns Nachschub an Taulängen seine Beschränkung im Umfang des Tauwerks, das für Seeträumer erreichbar war; letzteres aber verringerte sich zusehends. Und es war unmöglich, den beiden irgendwie zu Hilfe zu kommen.
Nahezu außer sich, nahm Linden alle Kräfte zusammen, um Blankehans zuzuschreien, er solle Seeträumer mehr Taue zuwerfen lassen. Aber in diesem Moment kehrte Ceer aus den Laderäumen zurück. Er stürmte aus einer Tür am Achterkastell, eine Art von Sack, einem Weinschlauch ähnlich, unter den Arm geklemmt, und sprang zur nächstgelegenen Rettungsleine. Er bewegte sich mit aller für die Haruchai typischen Behendigkeit. Hinter ihm kamen die zwei Riesen. Sie folgten langsamer, weil jeder von ihnen zwei Ledersäcke trug, aber auch sie beeilten sich, so sehr sie es unter diesen Bedingungen konnten. Blankehans scheuchte Matrosen aus Ceers Weg. Während er am Besanmast vorbeihastete, entstöpselte Ceer das lederne Behältnis. Er preßte es unter seinem Arm zusammen und verspritzte daraus einen dunklen Strahl von Öl auf den geneigten Stein. Öl floß übers Deck, bildete einen fettigen Film, während es sich nach unten ausbreitete. Als das Öl die Aale erreichte, verwandelte sich das Deck in ein Flammenmeer.
Feuer loderte empor, griff so zügig um sich, daß es dem Strahl aus Ceers Ölschlauch wie in heller Gier entgegenleckte. Es entzündete die Aale, warf sie über- und durcheinander, vervielfachte ihr Aufflammen. Innerhalb weniger Augenblicke lohte unterhalb Ceers das ganze Deck. Die eigene Glut verschlang die Kreaturen des Wütrichs.
Aber Hunderte von ihnen hatten bereits Wand und Dach des Aufbaus erklommen; und nun war der Besatzung der Zugang zum Wohlspeishaus vollends verwehrt. Das Feuer allein hätte die Riesen nicht aufhalten können. Durch das Öl war das Deck jetzt allerdings viel zu schlüpfrig, um sich noch überqueren zu lassen. Bis es verbrannt war, gab es außer an der von Ceer benutzten Rettungsleine entlang keinen Weg, auf dem man zu Seeträumer und Brinn vorzustoßen versuchen konnte. Den beiden standen nur noch Augenblicke zur Verfügung. In Seeträumers Reichweite befanden sich keine Taue mehr. Er unternahm den Versuch, zur ersten Rah zu rutschen, wo es vielfältiges Tauwerk gab; dadurch gelangte er allerdings weiter ins Wüten des Sturms hinaus. Noch ehe er die halbe Strecke überwunden hatte, erwies sich das Wehen als zu stark für ihn. Er mußte sich über Covenant docken und mit Armen und Beinen an den Mast klammern, damit der Sturm sie nicht beide mit sich in die Nacht riß.
Ceers Ölschlauch war leer, bevor er damit zum Wohlspeishaus vorzudringen vermachte. Er war
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