Der einsame Baum - Covenant 05
Küste – einige Kilometer östlich von Bhrathairealm – zeigte Linden nichts als Fels und kahle Einöde. Die steinige Landschaft war durch so viele staubtrockene Jahrtausende gebleicht und verwittert worden, daß ihre Felsblöcke von der Sonne bedrückt und schläfrig aussahen, als verhindere nur ihre sture Widerstandskraft, daß auch sie sich in Dunst auflösten. Alles Leben war dem hellen Untergrund schon vor langem ausgebrannt und ausgetrieben worden. Sonnenschein färbte die Ufer rosa und in Ockerfarben, verschönte die Wüstenei ein wenig, aber sie konnte, was verloren war, nicht wiederbringen.
Am Abend, während die Dromond langsam längs der Küste lavierte, wich dieser Landstrich einer Region niedriger Klippen, die wie mit einer düsteren Miene unablässiger Gereiztheit aufs Meer ausschauten. Als die Abenddämmerung anbrach, segelte die Sternfahrers Schatz an Felsvorsprüngen vorüber, die die Höhe ihrer Rahen erreichten. Linden, die mit Pechnase an der Backbordreling des Achterdecks stand, sah voraus in den Klippen einen Einschnitt, der an die Kluft einer engen Schlucht oder an eine Flußmündung erinnerte. Doch an den Rändern des Einschnitts entlang erhoben sich Mauern, die zehn oder zwölf Meter hoch sein mußten. Sie waren aus dem gleichen verblichenen Stein der Klippen errichtet worden. An ihren Enden – den beiden Stellen, die aus dem Einschnitt seewärts vorgeschoben waren – ragten zwei Wachtürme empor. Diese beiden Befestigungen verjüngten sich nach oben hin, so daß sie sich wie Zähne gegen den dunstigen Horizont abzeichneten. »Ist das der Hafen?« erkundigte sich Linden verunsichert. Die Lücke zwischen den Klippen sah für ihre Begriffe zu schmal aus, um ein Vor-Anker-Gehen zu gestatten.
»Ja, der Hafen von Bhrathairain «, bestätigte Pechnase in versonnenem Ton. »Dort beginnt der Sandwall, der alles Land von Bhrathairealm – sowohl Bhrathairain selbst wie auch die gewaltige Sandbastei dahinter – wider die Große Wüste abriegelt. Ohne Zweifel befährt kein Schiff diesen Teil der Welt, dessen Besatzung nicht die Spitzen kennt, welche den Hafen von Bhrathairain kennzeichnen und bewachen.«
Vom leichten Wind vorwärtsgetrieben, schwamm das Riesen-Schiff langsam zur Höhe der beiden Türme, die Pechnase die Spitzen genannt hatte. Blankehans veranlaßte, daß die Dromond beidrehte, um zwischen ihnen in den Hafen einzulaufen. Die Einfahrt war gerade breit genug, um die Sternfahrers Schatz durchzulassen; hinter ihr jedoch sah Linden die Anlage sich zu einer großen Bucht mit einem Durchmesser von fünf Kilometer oder mehr erweitern. Ganze Geschwader von Schiffen hätten in diesem Hafenbecken, vor den Launen der See geschützt, Flottenmanöver veranstalten können. In der Ferne erspähte sie im landseitigen Halbrund des Hafens ein Gewirr von Segeln und Masten. Hinter den Anker- und Liegeplätzen, an denen diese Schiffe lagen, erstreckte sich an einem Hang genau südwestlich des Hafenbeckens eine dichtbebaute Stadt landeinwärts. Sie endete an dem Sandwall, der Stadt und Hafen gänzlich umschloß. Und jenseits des Sandwalls stand das wuchtige steinerne Gefüge der Sandbastei. Sie überragte Bhrathairain in fünf abgestuften Ebenen und beherrschte die landwärtige Aussicht wie ein ins Brüten versunkener Titan. Ihre fünfte Stufe bestand aus einem schlichten glatten, hohen Turm, der einem zur Warnung erhobenen Finger glich. Während die Sternfahrers Schatz die Spitzen passierte, fiel Linden auf, daß der Hafen so etwas wie eine Sackgasse bildete, aus der jedes fluchtartige Entweichen sich als außerordentlich schwierig erweisen mochte. Bhrathairealm war gut bewacht. Sie betrachtete, was sie von Stadt und Sandwall sehen konnte, und bemerkte, daß die Bhrathair , wenn die Besatzung der Sandbastei ihre Tore schloß, keinen Ausweg aus den eigenen Verteidigungsanlagen besaßen. Der Umfang des Hafens und die immensen, gedrungenen Umrisse der Sandbastei versetzten Linden in Staunen und Beunruhigung. »Erzähl mit etwas über dieses Volk«, sagte sie unterdrückt zu Pechnase. Nach der Begegnung mit den Elohim wußte sie nicht so recht, was sie noch von irgendwelchen Fremden erwarten sollte.
Pechnase reagierte, als hätte er bereits über entsprechende Angaben nachgedacht. »Die Bhrathair sind ein sonderbares Volk – stets hat dies unergiebige Land ihnen nur Beschwernisse beschert, und schwer schlug sie auch das Mißgeschick oder Schicksal, welches sie auf Gedeih oder Verderb zum Kampf wider
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