Der einsame Baum - Covenant 05
es von Brigantinen, Windjammern, Schaluppen und Handelsschiffen aller möglichen Arten, die gemeinsam vorm betriebsamen Hintergrund der Stadt einen Wald aus Masten und Rahen schufen. Welches Mißtrauen irgend jemand Bhrathairealm auch entgegenbringen mochte, es wirkte sich jedenfalls nicht nachteilig auf die Lebhaftigkeit der Handelsbeziehungen aus. Und die Luft war voller Vögel. Möwen, Krähen und Kormorane kreisten und lärmten über den Masten und zwischen den Rahen, hockten auf den Dächern von Bhrathairain, nährten sich vom Abfall und Unrat der Schiffe. Falken und Habichte zogen wachsam Kreise sowohl über der Stadt wie auch dem Hafen. In Bhrathairain mußte in der Tat Wohlstand herrschen, wenn es so viele laute Stöberer und Räuber füttern konnte. Es freute Linden, die Vögel zu sehen. Vielleicht handelte es sich um unsaubere und nicht sonderlich bunte oder putzige Tiere; aber sie lebten. Sie schienen die Reputation des Hafens, daß man in ihm stets ein Willkommen fand, zu unterstreichen.
Als die Dromond nah genug war, um den Lärm und das Stimmengewirr der Hafenanlagen vernehmlich werden zu lassen, kam ihr durchs Hafenbecken eilig ein Skiff entgegen. Vier dunkelhäutige Männer ruderten das Boot zügig auf das Riesen-Schiff zu; ein fünfter Mann stand im Heck. Noch ehe sich das Skiff in Rufweite befand, begann letzterer der Sternfahrers Schatz auf zweckbestimmte Weise zuzuwinken. Lindens Miene mußte ihre Verdutztheit gezeigt haben, denn Pechnase lachte gedämpft. »Gewiß gedenkt er uns zu einem Anlegeplatz zu lotsen, der für ein Schiff von der Größe unserer Dromond geeignet ist.« Gleich darauf stellte Linden fest, daß der Riese recht hatte. Blankehans verstand anscheinend die Gesten des Bhrathair , und er richtete sich nach den Empfehlungen; das Skiff drehte vor dem Riesen-Schiff und schwamm ihm zu den Hafenmauern voraus. Indem er folgte, brachte Blankehans die Sternfahrers Schatz binnen kurzem zu einem geräumigen, tiefen Anlegeplatz zwischen zwei langgestreckten Landungsbrücken. Dort warteten Hafenarbeiter, um beim Anlegen behilflich zu sein. Sie merkten jedoch bald, daß sie für die Dromond wenig tun konnten. Die Trossen, die man ihnen aufs Hafengemäuer warf, waren zu dick, als daß sie damit hätten umgehen können. Als Riesen von Bord sprangen, um das Schiff festzumachen, wichen die Bhrathair voller Staunen zurück und betrachteten das große steinerne Wasserfahrzeug vom oberen Ende der Landestelle aus. Es dauerte nicht lange, bis sich eine regelrechte Menschenmenge versammelt hatte – weitere Hafenarbeiter, Seeleute von benachbarten Schiffen, Händler und Bürger der Stadt, die noch nie ein Riesen-Schiff gesehen hatten.
Während sie die Dromond bestaunten, beobachtete Linden ihrerseits mit Interesse die Leute. Die meisten ihrer Äußerungen fielen in Sprachen, die sie nicht verstand. Linden sah Menschen jeder Hautschattierung und Statur; ihre Kleidung erstreckte sich von Kleidungsstücken, die so schlicht waren wie jene, die Sunder und Hollian getragen hatten, bis hin zu exotischen Prunkgewändern, in kräftigen Farben aus Seide und Taft gewoben, die einem Sultan gestanden hätten. Gelegentlich war auch ein pomphaft aufgeputzter Seefahrer zu sehen, vielleicht Kapitän oder Eigentümer eines Schiffs. Am auffälligsten jedoch war eindeutig das modische Gepränge der Bhrathair selbst. Sie waren unverkennbar wohlhabend. Und ihr Wohlstand hatte ihnen Geschmack an Großtuerei eingegeben.
Dann ging Bewegung durch die Menschenmenge, während ein Mann sich den Weg zur Hafenmauer bahnte; er war so dunkelhäutig wie die Männer in dem Skiff, aber seine Bekleidung erlaubte auf einen höheren Rang zu schlußfolgern. Er trug Bluse und Hose aus kostbarem Stoff, der wie Satin glänzte; sein Gürtel war aus hellsilbernem Metall geflochten; an seine rechte Schulter war wie eine Dienstplakette ein silbernes Abzeichen geheftet. Er trat auf, als wolle er den Zuschauern zeigen, daß auch ein Schiff von der Größe der Sternfahrers Schatz ihn nicht einschüchtern könne; unterhalb des Achterdecks blieb er stehen und wartete mit einem Gehabe der Ungeduld auf Einladung und Möglichkeit, an Bord zu kommen. Auf Blankehans' Befehl ließ man dem Schwarzgekleideten eine Strickleiter hinab. Linden schlenderte mit Pechnase hinüber. Die Erste und Seeträumer hatten sich dort bereits zum Kapitän gesellt und Brinn und Covenant aus seiner Kabine geholt. Cail befand sich ständig hinter Lindens linker Schulter; auch
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