Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
nichts. Und Findail vermied es, Linden anzuschauen; es war ihm anscheinend zuwider, sich ihrer Sinneswahrnehmung auszusetzen. Die stumme Erwartung der beiden trieb Linden endlich an. Verlegen schritt sie zur Reling, senkte ihre Füße auf die Sprossen der Leiter, ließ sich gewissermaßen – wie willenlos – vom eigenen Gewicht hinabbefördern. Als sie zu den bereits von Bord gegangenen Gefährten stieß, stiegen gerade auch die vier anderen Soldaten aus den Sätteln, und der Caitiffin bot die Pferde ihr und ihrer engeren Begleitung an. Sofort schwang sich Brinn hinter einen Sattel, und Hergrom hob Covenant hinauf in Brinns Arme. Ceer und Hergrom nahmen jeder ein Pferd und überließen eines Linden und Cail. Diesmal erlaubte sich Linden kein Zögern. Diese Tiere waren bedeutend kleiner und weniger gefährlich als die Landläufer der Sonnengefolgschaft. Obwohl sie im Reiten nicht die geringste Erfahrung besaß, schob sie einen Fuß in den Steigbügel, packte mit beiden Händen den Sattelknauf und zog sich hoch. Im Handumdrehen saß Cail hinter ihr. Während Rire Grist sein Pferd bestieg, ergriffen seine Untergebenen die Zügel ihrer Tiere. Blankehans und die Erste begaben sich an die Seiten des Caitiffin ; Seeträumer trat zwischen die Pferde, die Covenant und Linden trugen. Danach kamen Ceer und Hergrom, und den Schluß machten Hohl und Findail. In dieser Anordnung verließen sie die Hafenanlagen und strebten wie eine Prozession in die Innenstadt von Bhrathairain. Die Besatzung rief ihnen keine Abschiedsworte nach. Der Wagemut der Gefährten veranlaßte die Riesen der Sternfahrers Schatz zu respektvollem Schweigen. Auf Rire Grists Befehl wichen die Menschen auf dem Kai beiseite. Rings um Linden erhob sich in Sprachen, die sie nicht kannte, ein Stimmenwirrwarr des Staunens und der Neugier. Am häufigsten war der rüde Zungenschlag der Bhrathair zu hören. Nur wenige Zuschauer drückten ihre Verwunderung in der Verkehrssprache des Hafens aus – jener Sprache, die Linden verstand. Aber sie hatte das Gefühl, daß deren Äußerungen den allgemeinen Tenor des Geredes recht gut wiedergaben. Leute behaupteten den Nebenstehenden gegenüber, so etwas ungewöhnliches wie Riesen schon gesehen zu haben, und Findail fanden sie auch nicht sonderlich bemerkenswert. Linden und Covenant dagegen – sie in kariertem Flanellhemd und enger Hose, er in seinem alten T-Shirt und den Jeans – hielt man für seltsam gekleidet; und Hohl betrachtete man in der Tat als eines der sonderbarsten Geschöpfe, die je in diesem Teil der Welt aufgetaucht seien. Linden lauschte den Ausrufen und Wortwechseln wachsamen Ohrs, hörte aber nirgends irgendwie feindselige Reden, sondern überall nur Überraschung.
    Eine Strecke weit ritt der Caitiffin durch die Hafenanlagen voraus, dann bog er in eine Gegend zwischen dem Hafen und einem Viertel gutbesuchter Geschäfte ab, in denen Seefahrer den unmittelbaren Bedarf decken konnten: Dort führte man Segeltuch, Werg, Holz, Taue und Nahrungsmittel. Doch sobald er den Weg durch lange, enge, mit Kopfsteinpflaster versehene Straßen hinauf zur Sandbastei nahm, wechselte die Art der Läden und angebotenen Waren. Händler von Luxusartikeln und Waffen beherrschten das Bild; an jeder Ecke gab es Tavernen. Die meisten Häuser bestanden aus Stein und waren mit Dachpfannen gedeckt; und selbst im kleinsten Laden sah man lebhaften Betrieb, als strotze ganz Bhrathairain nur so von allgemeinem Wohlstand. An jeder Tür, in jeder Gasse und Straße drängten sich Menschen; dunkelhäutige und aufwendig gekleidete Bhrathair und gleichermaßen zahlreiche Seeleute. Händler und Kaufleute aus jedem Land und jedem Volk in diesem Bereich der Welt wimmelten durcheinander. Schwer hingen die Gerüche dichter Bevölkerung in der Luft – der Duft von exotischen Gewürzen und Parfümen, der beißende Atem von Schmieden und Metallmanufakturen, von Gefeilsche und Gewinnsucht, der Gestank von Schweiß und überlasteten Kloaken. Und bei alldem lastete die Hitze wie ein Mühlstein auf der Stadt, preßte Geräusche und Gerüche sogar aus den Pflastersteinen unter den Hufen der Pferde. Der Druck stumpfte Lindens Sinne ab, beschränkte ihre Reichweite; aber obwohl sie Anzeichen von Habsucht und Begierde aller Grade bemerkte, spürte sie unverändert nirgendwo Feindschaft oder Heimtücke, keine Beweise von Bösartigkeit. Bhrathairain mochte seine Besucher mit faulen Tricks in Armut stürzen; aber herfallen würde man hier nie über sie.
    In

Weitere Kostenlose Bücher