Der einsame Baum - Covenant 05
speisten, während im Hintergrund verhaltene Musik spielte. Das einfache, gerade Auftreten der Gefährten bildete einen direkten Gegensatz zu dem selbstgefälligen Getue rings um sie; aber der Hofstaat reagierte, als empfände man die Gäste ebendeswegen als um so attraktiver und interessanter – oder als fürchteten sich die Höflinge zu sehr, um sich anders zu benehmen.
Männer belagerten Linden mit einem Überangebot von Flirts, blind für die drohende Hysterie in ihrer Miene. Forsch bedrängten Frauen die kaltschnäuzigen Haruchai . Die Riesen setzte man gezwungenen Kapriolen geistreichen Charmes aus. Weder stellte der Gaddhi sich ein, noch kam sein Wesir; aber an den Wänden standen Hustin wie Lauscher, und nicht einmal Blankehans' unauffällig-schlaue Fragen erbrachten irgendwelche nützliche Informationen. Die Speisen schmeckten köstlich; an Weinen gab es die vielfältigsten Tropfen und reichlich. Während der Abend voranschritt, gestaltete sich das Schwatzen der Höflinge immer burlesker und ausgelassener. Seeträumer starrte aus glasigen Augen umher; die Miene der Ersten ähnelte einer Gewitterwolke. In gewissen Abständen sagte Covenant sein Sprüchlein auf.
Seine Gefährten ertrugen die Situation, solange sie konnten, dann baten sie Rire Grist, sie in die Unterkünfte zurückzubringen. Er erfüllte den Wunsch mit diplomatischer Unbefangenheit. Sobald er fort war, fügten sich die Gefährten der Notwendigkeit des Schlafens. Jedem war ein Zimmer zugeteilt worden, und in jedem Raum stand ein Einzelbett. Aber sie richteten sich nach eigenen Vorstellungen ein. Blankehans und Seeträumer bezogen ein gemeinsames Zimmer, ebenso die Erste und Ceer. Linden widmete Covenant einen letzten, prüfenden Blick, ehe sie sich hinlegte, Cail im selben Zimmer, um auf sie achtzugeben. Brinn zog Covenant mit sich in den Nebenraum und brachte ihn zu Bett. Hergrom blieb, zusammen mit Hohl und Findail, als Wache im Flur. Als Brinn das Licht löschte, schloß Covenant in reinem Reflex die Lider.
Neues Licht leuchtete auf, und Covenant öffnete die Augen. Doch es entstammte nicht derselben Quelle. Es drang aus einem kleinen, vergoldeten Gefäß in der Hand einer Frau. Sie trug hauchdünnen Stoff, der gleichermaßen viel verbarg und andeutete, wie schwacher Nebel; das üppige blonde Haar umwallte ihre Schultern. Das Licht umschmeichelte ihre Figur mit verheißungsvollem Glanz. Sie war die Edle Alif, eine der beiden Meistgeliebten des Gaddhi.
Schelmisch legte sie einen Finger an die Lippen und wandte sich leise an Brinn. »Du brauchst deine Freunde nicht zu stören. Kasreyn von dem Wirbel wünscht mit Thomas Covenant zu reden. Es ist sehr wohl recht, wenn du ihn begleitest. In der Tat können sogar alle deine Freunde mit ihm kommen, so du's für angebracht hältst, sie zu wecken. Der Wesir bereut seine Voreiligkeit. Doch weshalb sollten sie ihrer Nachtruhe beraubt werden? Sicherlich gewährleistest du selbst Thomas Covenants Sicherheit zur Genüge.« Brinns Haltung verriet keinerlei Reaktion. Gleichmütig weg er Risiko und Chance ab, die in diesem neuen Ansinnen lagen. Während er noch überlegte, trat die Edle Alif an seine Seite. Ihre Bewegungen waren zu sanft und zu harmlos, um Gedanken an Gefahr zu rechtfertigen. An ihren Fußknöcheln klirrten kleine silberne Glöckchen. Da streckte sie ihre freie Hand und enthüllte ein Häufchen lohfarbenen Pulvers. Mit plötzlichem Pusten blies sie es in Brinns Gesicht. Ein unwillkürliches Einatmen der Überraschung, und das Pulver tat seine Wirkung. Brinns Knie knickten ein, und er sank, indem er sich langsam um die eigene Achse drehte, zu Boden.
Sofort huschte die Edle zu Covenant, lächelte begehrlich. Als sie an seinem Arm zerrte, erhob er sich willenlos vom Bett. »Rühr mich nicht an!« sagte er; aber die Edle lächelte nur unablässig und zog ihn zur Tür. Im Korridor sah er, daß Hergrom ebenfalls am Boden lag, ähnlich gefällt wie Brinn. Hohl stand vor Lindens Tür und achtete auf sonst nichts. Findail jedoch beobachtete die Edle Alif und Covenant mit einem auf Einschätzung bedachten Blick. Die Meistgeliebte des Gaddhi führte Covenant aus dem Bereich der Gästezimmer. Sie befanden sich noch unterwegs, als Covenant hörte, wie jemand eine Tür aufriß und nackte Füße fast lautlos über den Steinboden liefen; vermutlich hatte einer der anderen Haruchai die Verfolgung aufgenommen. Ceer oder Cail mußte die Besinnungslosigkeit Brinns und Hergroms gespürt und bemerkt
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