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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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machte er sich daran, Covenants Arme und Beine mit Gurten anzuschnallen. »Aber es ist ein laues Vergnügen«, setzte er seinen Monolog nach kurzer Pause fort, »und verschafft mir keine Befriedigung. Das Alter deucht mich unbefriedigend. Darum bist du hier.« Er schnallte Covenants Brustkorb fest an die Rücklehne des Stuhls. Mit einem um den Hals geschnallten Gurt sorgte er dafür, daß der Zweifler aufrecht saß. Covenant hätte nichtsdestoweniger noch den Kopf von einer zur anderen Seite wenden können, wäre es ihm eingefallen, so etwas zu tun; aber Kasreyn baute anscheinend zuversichtlich darauf, daß Covenant keine derartigen Einfälle mehr hatte. Aus Covenants innerer Leere wallte eine schwache Regung von Besorgnis auf, aber er zerstreute sie mit seinem Kehrreim. Als nächstes begann Kasreyn seine Utensilien der am Stuhl angebrachten Vorrichtung einzusetzen. Es handelte sich um Linsen von erheblich unterschiedlicher Beschaffenheit und Stärke; die Vorrichtung hielt sie in der Nähe von Covenants Kopf. »Du hast gesehen«, faselte der Wesir weiter, während er sich betätigte, »daß ich ein Okular aus Gold besitze. Aus purem Gold ... selbst in meinen Händen ein seltenes, mächtiges Metall. Dank solcher Hilfsmittel bewirken meine Künste große Wunder, deren der Schrecken der Sandgorgonen bei weitem nicht das größte ist. Ebenso jedoch sind meine Künste vollkommen, so wie ein Kreis makellos ist, und in einer Welt voller Mängel kann Vollkommenheit nicht überdauern. Daher rührt's, daß jedem meiner Werke zwangsläufig ein Makel anhaftet, andernfalls sie nicht wirken könnten.« Er trat zurück, um seine Vorbereitungen einen Moment lang zu begutachten. Dann beugte er sein Gesicht dicht vor die unbewegte Miene Covenants, als wolle er sichergehen, daß der Zweifler ihn verstand. »Sogar die Errungenschaft meiner Langlebigkeit ist getrübt durch einen Makel, und durch selbigen Makel entweicht mir das Leben nichtsdestotrotz gleichsam Tröpfchen um Tröpfchen. In voller Kenntnis der Vollkommenheit und im Besitz vollkommener Werkzeuge habe ich mich notgedrungen mit Unvollkommenheit abfinden müssen. Ich werde sterben, Thomas Covenant.« Erneut wich er zurück. »Das ist untragbar«, murmelte er halb zu sich selbst. Für einige Sekunden verschwand er aus Covenants Blickfeld. Als er zurückkehrte, stellte er einen Stuhl vor Covenants Sitz und nahm darauf Platz. Seine Augen befanden sich nun in einer Höhe mit Covenants Augen. Mit einem skeletthaften Finger tippte er an Covenants Halbhand. »Aber du hast Weißgold.« Hinter ihrer Wäßrigkeit schienen seine Augäpfel keine Farbe zu besitzen. »Das ist ein unvollkommenes Metall – eine unnatürliche Verbindung von Metallen –, und auf dem ganzen Erdkreis dieser Welt ist es allein in dem Ring enthalten, den du trägst ... Meine Künste haben zu mir von einem solchen Wundermittel gesprochen, doch nicht einmal im Traum hätte ich zu wähnen gewagt, eines Tages könne mir das Weißgold zufallen. Das Weißgold! Thomas Covenant, wenig verstehst du von dem, was du da besitzt. Des Weißgolds Unvollkommenheit ist jener Widerspruch selbst, aus dem die Erde gemacht ist, und mit ihm mag ein Meister vollkommene Werke verrichten, ohne einen Makel fürchten zu müssen. Deshalb ...« – mit einer Hand schwenkte er eine Linse vor Covenants Augen, so daß sie alles in seiner Sicht verzerrte – »will ich den Ring haben. Wie du weißt –, oder wußtest – kann ich ihn dir nicht ohne weiteres entreißen. Er wäre für mich wertlos, es sei denn, du übergibst ihn mir freiwillig. Und in deinem gegenwärtigen Zustand bist du zu keinen Entschlüssen fähig. So kommt's, daß ich zunächst diese Wand zertrümmern muß, die deinen Willen in deinem Innern gefangenhält. Das getan, werde ich dir, solange du noch in meinem Gewahrsam verbleibst, die Entscheidung abringen, nach welcher mir der Sinn steht.« Ein Lächeln bleckte die greise Bosheit seiner Zähne. »Wahrhaftig, es wäre dir wohler ergangen, wärst du den Reizen der Edlen Alif erlegen.«
    Covenant begann seine Warnung zu sagen. Aber ehe er sie beenden konnte, hob Kasreyn sein Okular, schaute mit dem linken Auge durch den Ring und die Linse vor Covenants Gesicht. Als dieser Blick Covenant traf, zersprang sein Dasein in nichts als Schmerz. Dornen schienen in seine Gelenke zu stechen, Messer seine sämtlichen Muskeln freizulegen, Dolche in jedem Nerv zu wühlen. Pein quälte seinen Kopf, als werde ihm die Haut vom Schädel

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