Der einsame Baum - Covenant 05
Krabbelbewegungen, als seien sie Spinnen. Ihre Reize hatten sie im Stich gelassen. »Ach, Wesir«, stöhnte sie. »Hab Erbarmen! Er ist kein Mann. Wie vermöchte ein Mann dem zu widerstehen, was ich getan habe?«
»Rühr mich nicht an!« Die Anstrengung des Sprechens verlieh Covenants lascher Haltung flüchtige Entschiedenheit.
Darauf verhalf die Demütigung der Edlen zur Kraft des Zorns. »Narr!« fuhr sie ihn an. »Du bewirkst meinen Untergang, und er wird dir doch von keinem Nutzen sein. Der Wesir wird mich zur Bettlerin in den Freudenhäusern von Bhrathairain machen, weil ich an dir gescheitert bin, doch deshalb wird er dich keineswegs verschonen. Er wird dir die Glieder einzeln ausreißen, um seinen Willen zu haben. Wärst du Manns genug, daß es dich nach mir gelüstete, zumindest hättest du das Leben behalten. Und es hätte dir Freude bereitet.« Blindwütig schlug sie zu, klatschte ihre Hand über seine bärtige Wange. »Freude!«
»Genug, Alif!« Die Stimme des Wesirs ließ sie augenblicklich erstarren, wo sie stand. Er beobachtete sie und Covenant von der Treppe; er war sie bereits zur Hälfte herabgestiegen. »Es steht dir nicht zu, ihn zu mißhandeln.« An seinem erhöhten Standort auf der Treppe schien er so groß wie ein Riese zu sein; aber seine Arme sahen von Hagerkeit und Alter zerbrechlich aus. Das an seinen Rücken geduckte Kind regte sich nicht. »Begib dich zurück zum Gaddhi! « Sein Ton verriet keinen Ärger; doch er schien Glanzlichter der Gehässigkeit in den Raum zu werfen. »Ich bin mit dir fertig. Von diesem Tag an bist du auf Gedeih und Verderb Spielzeug seiner Schrullen! Stimme ihn günstig, so du's vermagst.«
Seine Worte fällten über die Edle ein Urteil; aber es war weniger hart als von ihr erwartet, und sie verzichtete aufs Jammern. Mit einem letzten, abschätzigen Blick auf Covenant raffte sie sich auf und eilte zur Treppe, ließ ihre Kleidungsstücke mit einer Mißachtung zurück, die an Würde grenzte. Sobald sie fort war, befahl Kasreyn einem der beiden Wächter, Covenant zu ihm zu bringen. Dann kehrte er nach oben zurück. Der Husta schloß eine Krallenhand um Covenants Oberarm. Ein Zittern böser Vorahnung veranlaßte Covenant zum mehrmaligen Wiederholen seines Sprüchleins, ehe sich sein Mißbehagen legte. Die Treppe schraubte sich aufwärts wie der Wirbel des Schreckens der Sandgorgonen, beförderte ihn hinauf in die Abgeschiedenheit der Wesirswacht. Als die Stufen endeten, betrat er das Labor, in dem sich Kasreyn mit seinen Künsten beschäftigte.
Auf langen Tischen standen theurgische Apparaturen aller Art. Gefäße und Fläschchen voller arkaner Pulver säumten die Wände. Spiegelvorrichtungen ließen Kerzen lichtlos erscheinen. Kasreyn schlurfte hin und her, bereitete irgendwelche Utensilien vor. Wiederholt schloß und lockerte er die Hände, um seine Hast zu bändigen. Seine wäßrigen, verschleierten Augen ruckten von einer zur anderen Stelle. Auf seinem Rücken schlief sein angeblicher Sohn. Kasreyns goldgelbes Gewand schleifte am Fußboden und erzeugte ein Geräusch wie vom Gewusel kleiner Tiere. Als er von neuem den Mund aufmachte, klang seine Stimme gefaßt, war jedoch mit einer schwachen Andeutung von Müdigkeit durchsetzt, die auf die Bürde seiner Jahre verwies. »Ich habe in Wahrheit nicht erwartet, daß ihr Erfolg beschieden sei.« Er sprach zu Covenant, als wüßte er genau, daß der Zweifler nicht antworten konnte. »Es wäre besser für dich, sie hätte welchen gehabt ... aber du bist ihr, soviel ist klar, gänzlich unerreichbar. Vielleicht hätte ich sie dennoch für ihr Scheitern strafen sollen, wie ein Weib nur je von einem Mann bestraft worden ist. Zumal sie ein reizvolles Weib und zudem gescheit ist. Aber dergleichen lockt mich nicht länger.« Sein Tonfall ließ ein Seufzen gerade noch ahnen. »In vergangenen Zeiten war's anders. Einst wählte der Gaddhi seine Meistgeliebten unter jenen Weibern aus, die zuvor meine Lust gestillt hatten. Seit geraumer Frist jedoch bereitet's mir bloß noch Vergnügen, anderen zuzuschauen, wie sie sich drunten in der Kammer ihrer lasterhaften Brunst hingeben. Deshalb war ich fast zu hoffen geneigt, sie möge Erfolg haben. Wegen des Kitzels, den's mir geschenkt hätte.« An einer Seite des Labors stand ein mit Gurten und Geräten ausgestatteter Stuhl. Während Kasreyn redete, brachte der Husta Covenant zu diesem Stuhl und setzte ihn hin. Der Wesir legte seine Utensilien auf dem nächststehenden Tisch bereit, dann
Weitere Kostenlose Bücher