Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Dann drehte er sich nach Linden um. »Wohlan, Auserwählte.« Seine Aufforderung bezeugte eine Entschiedenheit und Festigkeit, als sei er innerlich auf alles vorbereitet. »Leite uns!«
    Linden hatte sich bereits über einen Weg Gedanken gemacht, wie der Wütrich aufzuspüren sein könnte, aber ihr war keine andere Methode in den Sinn gekommen, als das Schiff abzuschreiten und zu versuchen, auf diese Weise den Aufenthaltsort des Eindringlings zu ermitteln. »Alles was unterhalb des Steuerrads liegt, könnt ihr außer acht lassen«, sagte sie so nachdrücklich, wie sie konnte. »Dort unten ist meine Kabine. Wäre er mir so nahe gewesen, hätte ich eher gemerkt, was los ist.« Durch eine offene Luke gab der Ankermeister diese Information an die Riesen unter Deck weiter.
    Fern hinter der Sternfahrers Schatz begann der Mond zu verschwinden. Linden Avery fing über das Achterdeck zu schlendern an. Sie ging zwischen der einen und der anderen Reling langsam und bedächtig hin und her. Mit jedem Schritt mußte sie ihren unwillkürlichen Abscheu von neuem überwinden, sich bewußt dazu drängen, ihre Sinne der Präsenz des Wütrichs zu öffnen. Ihre Nerven waren sogar durch die Schuhe für den Stein der Dromond empfänglich. Der Granit unter ihr zeichnete sich mit der Klarheit eines Lageplans ab; sie konnte spüren, wie drunten die Riesen das Schiff durchkämmten, bis sie aus ihrer Reichweite gerieten. Das Widerwärtige jedoch blieb verborgen, ebenso vage wie verhängnisvoll. Nicht lange, und die Muskeln von Lindens Beinen zeigten eine Neigung zum Verkrampfen. Ihre Nerven zuckten bei jedem Schritt. Gibbon hatte jedem Quadratzentimeter ihres Körpers Furcht vor Wütrichen eingejagt. Aber sie ließ nicht locker. Kurz nach Monduntergang zog die morgendliche Dämmerung herauf, doch die Zeit, die dazwischen verstrich, kam Linden lang vor; als sich die Sonne über den Horizont schob, hatte sie erst die Hälfte des Achterdecks hinter sich gebracht und näherte sich dem Großmast. Sie bebte vor Anstrengung und konnte nicht einmal sicher sein, das Versteck des Wütrichs nicht schon verpaßt zu haben. Als Ceer ihr einen Krug Wasser anbot, blieb sie flüchtig stehen, um zu trinken. Danach jedoch machte sie sofort weiter, hielt ihre Konzentration sozusagen mit beiden geballten Fäusten gepackt, um nicht nachzulassen.
    Covenant hatte sich an der heckwärtigen Seite vom Wohlspeishaus auf einen Haufen Trossen gesetzt, der die Größe eines Betts besaß. Brinn und Hergrom standen nahebei. Covenant beobachtete Linden mit stark gefurchter Stirn, emanierte stumm Frust und Hilflosigkeit, seinen Verdruß über die Unzulänglichkeit seines Wahrnehmungsvermögens.
    Aus Sorge, ihre Aufmerksamkeit könne schwächer werden, daß sie womöglich versagen, wieder versagen würde, beschleunigte Linden ihre Schritte. Bevor sie den Aufbau erreichte, warf eine urplötzliche Zuckung in ihren Beinen sie der Länge nach aufs Deck. Augenblicklich ergriffen Cail und Ceer ihre Arme und richteten sie auf. »Hier!« ächzte Linden. Hitze glühte aus ihren Knien bis in ihre Hüften herauf, Ekel schwoll in ihr empor. Sie vermochte die Beine nicht zu strecken. »Hier unten. Irgendwo.«
    Der Ankermeister schrie den unter Deck befindlichen Riesen Lindens Entdeckung zu. Blankehans musterte Linden mit sichtlicher Verblüffung. »Das dünkt mich ein sonderbares Versteck«, meinte er leise. »Hierunter sind vom Deck bis drunten zum Kiel nur Kornbehälter, Vorratstruhen und Wasserfässer. Und allesamt sind sie voll. Derbhand ...« – er sprach vom Ankermeister – »hat am Rande des Großen Sumpfes sauberes Wasser, wilden Mais und vielerlei gute Früchte gefunden.«
    Linden war nicht dazu in der Lage, ihn bloß anzuschauen. Am Rande des Großen Sumpfes , dachte sie, als drehe es sich um eine Absurdität. Wo all die Verunreinigungen der Sarangrave-Senke ins Meer strömten. Sie biß die Zähne aufeinander, als sie die Finsternis unter ihr sich zusammenballen fühlte wie eine Gewitterwolke. Zuerst ruhte sie lediglich wie eine Ansammlung von Scherben der Bosheit segmentiert tief im Rumpf der Dromond. Dann regte sie sich. Wie entfernter, vielfacher Hufschlag dröhnte sie durch den Granit und begann auf irgendeine Art und Weise zu schwärmen. Der Sonnenschein erfüllte Lindens Sicht mit Erinnerungen an Bienen, und sie zog unbeabsichtigt den Kopf ein, duckte sich zusammen. Irgendwo über ihrem Kopf flatterte schlaff unbeachtetes Segeltuch. Die Sternfahrers Schatz war still

Weitere Kostenlose Bücher