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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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bedrohlicher Blick kündete unverhohlen an, daß es ihm mit einer freien Hand bald gelingen würde, sich gänzlich zu befreien. »Mein Freund«, sagte der Wesir unterdrückt, »dafür wirst du einen Tod erleiden, der deine gräßlichsten Befürchtungen übersteigt!« Blankehans reagierte mit einem gekeuchten Knurren. Aber Kasreyn blieb nun außerhalb der Reichweite der vom Kapitän losgerissenen Kette. Bedächtig nahm er seine Aufmerksamkeit von Blankehans. »Wenn du meinen Wunsch nicht erfüllst«, wiederholte er, erneut an Linden gewandt, »werde ich ihm gebieten, sich selbst zu blenden.« Nur die leichte Gequetschtheit seiner Stimme zeugte noch davon, daß sich zwischendurch etwas ereignet hatte.
    Covenant hatte sich nicht gerührt. Er stand still da, die Finger erhoben, um sich die Augen auszureißen. Linden widmete seiner schrecklichen Wehrlosigkeit einen langen Blick. Dann ließ sie ihre Haltung erschlaffen. Wie sollte sie gegen einen Mann kämpfen, der dazu imstande war, von den Toten aufzuerstehen? »Du mußt das Band von seinem Hals entfernen! Es blockiert meine Wahrnehmung.«
    Cail stemmte sich gegen die Ketten. »Auserwählte!« schrie die Erste in heftigem Protest. Pechnase starrte Linden bestürzt an. Linden achtete nicht auf die anderen. Sie musterte Kasreyn. Mit wüstem Grinsen näherte er sich Covenant. Mit einer Hand faßte er an das gelbe Band. Es verschwand in seinem Griff.
    Sofort verfiel Covenant wieder in seine schon vertraute Passivität. Seine Augen spiegelten nichts als Leere wider. »Rühr mich nicht an!« sagte er mit ausdrucksloser Stimme.
    Ehe Linden sich in Sehnsucht oder Zorn in sein Inneres vortasten, versuchen konnte, ihre Vorsätze wahr zu machen, begann plötzlich in Hohls Nähe der Fußboden zu wirbeln und zu strudeln. Mit erstaunlicher Schnelligkeit floß Findail aus dem Granit und nahm menschliche Gestalt an. Unverzüglich wandte er sich an Linden. »Bist du von Sinnen?« Die habituelle Grämlichkeit seiner Gesichtszüge verliehen seinen Worten den Charakter eines Gezeters. »Das ist der Untergang!« Linden hatte von keinem Elohim je solche Töne der Furcht vernommen. »Begreifst du nicht, daß die Erde selbst in Gefahr schwebt? Nicht ohne Überlegung habe ich euch gedrängt, aufs Schiff zurückzukehren, als der Weg noch offenstand, denn ich war darauf bedacht, eine so überaus bedrohliche Lage, wie sie sich nun ergeben hat, beizeiten abzuwenden. Sonnenkundige, höre mich an!« Seine Aufregung wuchs, weil sie ihm keine Beachtung schenkte. »Ich bin der Ernannte. Das Schicksal der Erde kommt über mein Haupt. Ich flehe dich an – erfülle doch diesem Wesir seinen Willen nicht!«
    Aber Linden hörte gar nicht hin. Kasreyn stand hinter Covenant und grinste, als besäße er volle Klarheit darüber, daß von Findail nichts zu befürchten war. Seine Hände hielten das goldgelbe Band, mit dem er Linden zum Nachgeben gezwungen hatte. Doch sie achtete auch nicht auf den Wesir. Sie kümmerte sich nicht um die Empörung ihrer Gefährten. Auf diesen Moment hatte sie sich von dem Augenblick an vorbereitet, in dem die Erste sagte: Warum leben wir dann noch? Ihn hatte sie mit jeder Faser ihres Willens angestrebt, um diese Chance hatte sie gerungen, um ihre eigene Lösung durchzusetzen. Die Entfernung des gelben Bands gab ihr diese Chance. Die Gelegenheit, wenigstens einen Vorsatz einzuhalten.
    Ihr ganzes Ich war auf Covenant konzentriert. Während ihre Gefährten versuchten, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, sie umzustimmen, öffnete sie Covenant ihre gesamte sinnliche Wahrnehmung. Mit einer Überstürztheit, die einem Ausbruch von Ekstase oder Aufopferung, Zorn und Trauer glich, unterwarf sie sich seiner inneren Leere.
    Diesmal nahm sie keine Rücksicht auf die Art der Leidenschaft, mit der sie in ihn vordrang. Und sie wehrte sich nicht, als es sie in den weiten Abgrund riß. Sie war sich dessen bewußt, daß ihre früheren Fehlschläge auf ihre Versuche zurückzuführen gewesen waren, ihn nach ihrem Willen zu beeinflussen, ihren Zwecken zu beugen; jetzt jedoch wollte sie nichts für sich, hielt nichts zurück. Sie lieferte sich vollständig aus, stürzte wie ein im Erlöschen begriffener Stern in das Nichts, hinter dem die Elohim Covenants Seele verborgen hatten.
    Trotzdem vergaß sie keineswegs Kasreyn. Der Wesir schaute mit lebhafter Aufmerksamkeit zu, wartete auf das Wiedererwachen von Covenants Willen. In dem Moment, sobald das geschah, würde Covenant ihm uneingeschränkt verfügbar

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