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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Die oberen Bereiche von Lindens rechter Schulter schmerzten dumpf, wie nach der Radikalität einer Amputation. Wenn sie den Blick hob, sah sie nichts als die lange Narbe unter Seeträumers Augen, als wäre sie ein Streifen alten Mondlichts. Die Stellung, in der er Linden auf seinen Armen hielt, entzog die Sternfahrers Schatz und ihr fluchtartiges Auslaufen ihrer Sicht. Soweit war es also mit ihr gekommen; und es fehlte ihr sogar an der Kraft zum Aufbegehren.
    Es verdutzte Linden, als Seeträumer unerwartet herumwirbelte, stehenblieb und in den Süden spähte. Auch die anderen Riesen verharrten. Cail stand ausbalanciert auf den Ballen seiner Füße. Alle schauten durch das vage Zwielicht in Hohls Richtung – oder nach irgend etwas aus, das sich hinter Hohl befand.
    Dann hörte Linden ihn: Hufschlag. Hufe donnerten über den Stein des Sandwalls, viele eisenbeschlagene Hufe. Linden drehte sich auf Seeträumers Armen, sah eine dichtgedrängte Masse von Schatten heranwogen. Sie schienen unterwegs kreuz und quer durcheinanderzuwimmeln.
    »Blankehans«, sagte die Erste mit einer Stimme wie Erz, »du und Seeträumer, ihr eilt weiter zu den Spitzen! Nehmt die Auserwählte und den Haruchai Cail mit euch! Pechnase und ich werden tun, was in unserer Macht steht, um euch den Rücken zu decken.«
    Keiner der beiden Brüder widersprach. Kein Riese der Suche konnte sich ihrem Willen verweigern, wenn sie diesen Tonfall benutzte. Blankehans und Seeträumer entfernten sich, wenn auch mit einer gewissen Schnelligkeit. Nach flüchtigem Zögern ging Cail mit ihnen. Hohl trat näher zu Linden. Gemeinsam stellten sich die Erste und Pechnase den Reitern des Gaddhi entgegen.
    Aber es dauerte gar nicht lange, bis Blankehans und Seeträumer beide ihre Flucht unterbrachen. Linden spürte, wie Seeträumers Muskeln geradezu danach lechzten, an der Seite der Ersten zu sein. Blankehans wirkte so verkrampft, als wüßte er nicht, wie man Gefährten im Stich ließ. Hin- und hergerissen zwischen gegensätzlichen Nöten, beobachteten sie, wie die berittenen Soldaten herangaloppierten.
    Die Erste hielt ihr Schwert in den Fäusten und wartete. Pechnase stützte, nach vorn gebeugt, die Hände auf die Knie, sammelte für den Kampf Atem und Kraft. Im allgegenwärtigen Silberlicht des Mondscheins ähnelte das Riesen-Paar kolossalen Standbildern, unheilvoll mächtig und still.
    Da erklang ein rauher Befehl in der Bhrathair -Sprache. Die Pferde bäumten sich auf, kamen zum Stehen. Zwischen Eisenhufen und Stein sprühten Funken. Mit Schaum vorm Maul näherte sich eines der Tiere, tänzelte mit seinem Reiter, während die anderen Berittenen zurückblieben, auf die Riesen zu. »Ich grüße dich, Erste der Sucher«, sagte eine vertraute Stimme. »Wer hätte glauben wollen, daß ihr's vermögt, Bhrathairealm in solchen Aufruhr zu stürzen?«
    Die Erste hob zur Warnung die Spitze ihres Schwerts. »Kehre dorthin zurück, Rire Grist«, entgegnete sie, die Stimme voller ruhiger Drohung, »woher du kommst! Ich verspüre keinen Wunsch nach weiterem Blutvergießen!«
    Das Roß des Caitiffin biß auf die Kandare; grob bändigte er das verstörte Tier. »Du mißverstehst meine Absicht.« Er hatte seine diplomatische Höflichkeit völlig abgelegt. Nun sprach er wie ein Soldat, und in seinem Tonfall klang Eifer mit. »Hätte ich die Klugheit besessen, euch richtig einzuschätzen, meine Unterstützung wäre euch früher zuteil geworden.« Eine Spur von Ehrgeiz machte sich in seiner Stimme bemerkbar. »Kasreyn ist tot. Der Gaddhi taugt zum Herrscher kaum mehr als ein Wahnwitziger. Ich bin gekommen, um euch Geleit zu den Spitzen zu gewähren, auf daß ihr zumindest darauf hoffen dürft, ungeschoren euer Schiff zu erreichen.«
    Die Erste senkte ihre Klinge nicht. »Wirst fortan du über Bhrathairealm herrschen, Caitiffin? « fragte sie gedämpft.
    »Wenn nicht ich, so ein anderer.«
    »Mag sein«, gestand die Erste zu. »Weshalb liegt dir daran, uns zu helfen?«
    Rire Grist blieb ihr die Antwort keine Sekunde lang schuldig. »Es ist mein Wunsch, daß die Geschichte, die ihr in anderen Landen erzählen werdet, nicht allein von Schlechtem berichtet. Und ich wünsche, daß ihr so bald wie möglich von uns geht, so daß ich frei von Kräften an mein Werk gehen kann, die ich weder zu meistern noch zu begreifen vermag.« Er schwieg für einen Moment. »Und zudem bin ich euch dankbar«, fügte er dann mit spürbarer Aufrichtigkeit hinzu. »Wärt ihr bezwungen worden, ich hätte Kasreyns

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