Der einsame Baum - Covenant 05
Beobachtung zu haben. Dort warteten sie. Linden blieb auf Seeträumers Armen nichts anderes übrig, als ebenfalls zu warten. Aber ihr war zumute, als teile sie mit den anderen nichts als das Schweigen. Ihre Augen reichten nicht so weit wie die der Riesen. Vielleicht war auch ihr Gehör nicht so gut. Und der granitene Tanz des Überlebens, den die Dromond auf dem Wasser vollführte, lenkte ihre rückwärts gerichtete Aufmerksamkeit ab. Sie wußte nicht, wie sie zu glauben imstande sein sollte, daß Covenant oder das Riesen-Schiff davonkommen könnten.
»Wenn er allzu spät eintrifft ...«, sagte Pechnase nach einer Weile. »Wenn Sternfahrers Schatz in dieser schmalen Durchfahrt warten muß ...«
»Freilich«, knurrte die Erste. »Kein Katapult kann ein solches Ziel verfehlen. Dann wird Rire Grists Hilfsbereitschaft uns von keinem Nutzen sein.«
Cail sagte nichts. Er stand mit auf der Brust verschränkten Armen da, als wäre seine Zurückhaltung voller Gewalttätigkeit, die gemäßigt werden mußte.
»Nun, Derbhand«, murmelte Pechnase. Seine Fäuste hämmerten leicht auf die Brüstung. »Nun.«
Nach einer Zeitspanne, in der nichts zu hören war als das ferne, einsame Geheul des Alarms und das leise, feuchte Gesäusel des Wassers am Sockel des Turms, hallte plötzlich das Brechen vieler Ruder vom Sandwall wider. Durch ein Manöver Derbhands ausgetrickst, hatten die Trireme und die Monoreme alle Mühe, sich nicht gegenseitig zu demolieren. Unmittelbar unter den Gefährten platzte ein Feuerball am Stein, und das Zittern einer Detonation durchbebte den Stein. Die Explosion überlagerte Lindens gesamte Wahrnehmung. In ihrer Sicht trübten sich grellweiße Flecken rot. Sie hörte Covenant nicht kommen.
Plötzlich drehten sich die Riesen zur gekrümmten Ausdehnung des Sandwalls um. Seeträumer stellte sie auf die Füße. Ihr Gleichgewichtssinn versagte; fast fiel sie hin. Cail trat drei Schritte vor, verharrte dann wie in Ehrerbietigkeit.
Ein Pferd galoppierte heran, als gewänne es im Mondschein allmählich an materieller Festigkeit. Während das Knarren und Klatschen der Ruder wieder einen Takt annahm, drang durch ihr Geräusch das Stakkato von Hufen. Beinahe ohne Übergang gelangte das Pferd in die Nähe der Gefährten. Es stolperte, als es hielt, kam mit aus Erschöpfung wackligen Beinen zum Stehen. Im Sattel saß Brinn. Er grüßte die Riesen. Indem er ein Bein über den Sattelknauf schwang, sprang er ab. Da erst sah man Covenant. Er hatte sich an den Rücken des Haruchai gepreßt, als fürchte er um sein Leben – angesichts der Schnelligkeit und Höhe des Reittiers voller Grausen. Brinn mußte ihm herunterhelfen.
»Willkommen, Riesenfreund«, sagte die Erste leise. Ihr Tonfall brachte mehr Freude zum Ausdruck als Geschrei. »Sei fürwahr willkommen.«
Schwingen rauschten durchs Dunkel. Ein Schatten glitt über die Mauerkrone auf Covenant zu. Für einen Moment schwebte eine Eule über ihm in der Luft, als wollte sie sich auf seinen Schultern niederlassen. Da jedoch lösten der Vogel und sein Schatten sich auf, verschmolzen auf dem Stein miteinander, als Findail von neuem seine menschliche Gestalt wiederherstellte. Im undeutlichen Licht sah er aus wie jemand, der Gräßliches erlebt hatte und noch kein Ende absah.
Covenant stand, wo Brinn ihm vom Pferd geholfen hatte, als wäre er von allem Mut verlassen worden. Er wirkte umnachtet und bar aller Hoffnung, so ausgehöhlt, als wäre er erneut unter den Bann der Elohim geraten. Linden trat auf ihn zu, ohne nachzudenken. Ihr brauchbarer Arm streckte sich nach ihm wie in einem Flehen.
Sein von Macht verwüsteter Blick richtete sich auf sie. Er starrte sie an, als überböte ihr Anblick alles, was er erlitten hatte. »Linden ...« Seine Stimme brach, als er ihren Namen nannte. Die Arme hingen ihm an den Seiten, als zögen Kummer und Not sie abwärts. Die Mühe, die ihn das kostete, machte sein Sprechen zu einem Krächzen. »Bist du in Ordnung?«
Linden mißachtete die Frage. Im Vergleich zu der Seelenpein, die sich in seinem Gesicht widerspiegelte, besaß sie keine Bedeutung. Sein Gram, den er aufgrund des Tötens empfand, zu dem er gezwungen gewesen war, ließ sich deutlich spüren. »Du mußtest es tun«, sagte Linden nachdrücklich. »Es gab keine andere Möglichkeit. Hättest du's nicht getan, wären wir schon tot.« Bitte, Covenant! Mach dir keine Vorwürfe, weil du unser Leben gerettet hast.
Doch ihre Worte erneuerten lediglich seinen Schmerz in voller
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