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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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litt allerdings nicht darunter. Vielmehr hatte sie einen Großteil ihrer Abhängigkeit in den kirchlichen Bereich verlagert. Obwohl ihre Wohlfahrtseinkünfte möglicherweise ausgereicht hätten, mußte sie unbedingt einem anderen Kirchenmitglied eine besonders günstige Wohnung abschwatzen, drängte bei anderen Frommen auf hauswirtschaftliche Arbeiten, die sie dann voller fürchterlichem Selbstmitleid verrichtete. Die Gottesdienste, Andachten und sonstigen Zusammenkünfte innerhalb der Gemeinde nutzte sie aus, um jeden erdenklichen Trost und jede erhältliche Unterstützung regelrecht einzufordern. Aber ihre Bitterkeit war längst nicht mehr zu mildern. Mittels einer Transformation, die in ihrer Wundersamkeit fast einer Wiederauferstehung gleichkam, war es ihr gelungen, ihren Ehemann für sich in einen sanftmütigen Heiligen zu verwandeln, den die grausame, unerklärliche Bürde einer Tochter, die Liebe verlangte, aber keine gab, in den Tod getrieben hatte. Diese Umwandlung erlaubte es ihr, sich selbst auch als Heilige zu betrachten und die gefühlsmäßige Abschirmung, deren sie sich gegen ihre Tochter bediente, als Tugend anzusehen. Aber das war noch nicht genug. Nichts war ihr genug. Buchstäblich jeden Cent, den sie erhielt, gab sie fürs Essen aus. Sie aß, als wäre rein körperlicher Hunger das Symbol und eine Demonstration ihrer geistigen Verarmung, der Unterernährung ihrer Seele. Ohne die Wohltätigkeit der Kirche, die sie zu verabscheuen gelernt hatte, wäre Linden oft genug nicht einmal hinlänglich bekleidet gewesen; dieser Umstand nährte den Groll ihrer Mutter gegen sie noch mehr. Weil sie sich durch die Tatsache, daß ihre Tochter nichts als abgelegte Klamotten trug und trotzdem nicht zu irgendeiner Form von Dankbarkeit verleitet oder durch Drohungen dazu bewogen werden konnte, sowohl getadelt wie auch bestätigt fühlte, erhob sie die eigene bittere Unfähigkeit zur Qualität des Heiligseins. Die ganze Erzählung schien in Lindens Mund zu glühen, als wäre sie eine ätzende Schwärze, die direkt aus der finsteren Grube ihres Herzens emporquoll. In ihren Augen brannte bereits das Vorgefühl von Tränen. Doch nun war sie den vollen Preis zu zahlen entschlossen. So war es gerecht. »Vermutlich hatte ich's verdient. Mit mir war nicht gerade leicht zurechtzukommen. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen worden bin, war ich innerlich verändert. Ich war, als wollte ich der Welt zeigen, daß mein Vater recht gehabt hatte ... mit seiner Behauptung, ich hätte ihn sowieso nie geliebt. Oder sonst irgend jemand. Jedenfalls fing ich als erstes an, die Kirche zu hassen. Mein Grund lautete, daß meine Mutter an dem Tag, als mein Vater sich umgebracht hat, zu Hause gewesen wäre, hätte sie nicht so suchtartig an der Kirche gehangen. Sie hätte ihm helfen können. Hätte mir helfen können. Aber der wahre Grund war wohl, die Kirche nahm sie mir weg, und ich war ein Kind und brauchte sie. Also benahm ich mich, als bräuchte ich niemanden. Am wenigsten sie oder Gott. Wahrscheinlich hat sie mich so dringend gebraucht wie ich sie, aber mein Vater hatte sich das Leben genommen, als hätte er's darauf abgesehen gehabt, dadurch mich persönlich zu bestrafen, und ich hatte keinerlei Gespür für die Probleme meiner Mutter. Ich glaube, ich habe mich davor gefürchtet, sie zu lieben – oder mich so zu verhalten, als würde ich sie lieben –, aus Sorge, sie könnte sich dann auch umbringen. Ich muß sie verrückt gemacht haben. Es hätte niemanden wundern dürfen, daß sie Krebs bekam.« Linden wollte die Arme um ihren Leib schlingen, um irgendwie die schmerzliche Lebendigkeit ihres Erinnerns abzuschwächen; doch ihre rechte Hand und der Unterarm versagten ihr den Dienst. Erinnerungen an Krankheit verursachten ihr eine Gänsehaut. Sie bemühte sich um die Distanziertheit und den Ernst, mit denen sie Covenant von ihrem Vater erzählt hatte; aber jenes Leiden war ihr noch heute zu lebhaft bewußt, um verdrängt werden zu können. Atemnot schien sich in den Tiefen ihrer Lungen zu verdichten. Covenant emittierte eine Art von ahnungsvollem Unbehagen. »Er hätte sich behandeln lassen. Er wäre chirurgisch zu entfernen gewesen. Hätte man sich frühzeitig darum gekümmert. Aber der Arzt nahm sie nicht ernst. Sie war nur eine fette Jammertante. Eine typische Witwe. Als er's sich dann anders überlegte – als er sie in die Klinik einwies und eine Operation veranlaßte –, hatte das Melanom längst Metastasen entwickelt. Ihr blieb

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