Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
darin keine Leistung. Sie hatte fast ebensoviel getan, das erst dazu führte, daß er die Zumutung der Elohim hinnehmen mußte. Sie selbst hatte die Voraussetzungen dafür geschaffen, die sie später dazu zwangen, die Unantastbarkeit seiner Seele zu verletzen. »Mein Leben lang ...« – Lindens Hände zuckten – »habe ich die Finsternis unter Kontrolle gehabt. Auf die eine oder andere Weise. Aber ich mußte alles abstreifen, um weit genug in dich vordringen zu können. Also blieb nichts für Ceer übrig.« Mit ernster Stimme beendete sie ihre Erklärungen. »Du hättest mich von Brinn bestrafen lassen sollen.«
    »Nein.« Sein Widerspruch ertönte in hitzigem Flüstern, das den Abstand zwischen ihnen wie ein Aufflammen von Energie übersprang. Lindens Kopf ruckte zurück. Sie sah ihn klar und deutlich, ihr zugewandt, als zähle ihre Ehrlichkeit für ihn mehr als Blutvergießen. »Deine Mutter interessiert mich nicht«, sagte er aus der Tiefe seiner Vertrautheit mit aller Selbstverurteilung. »Es interessiert mich nicht, ob du mich ›besessen‹ hast. Du hattest guten Grund. Und das ist nicht die ganze Geschichte. Du hast uns alle gerettet. Du bist die einzige Frau, die ich kenne, die sich nicht vor mir fürchtet.« Seine Arme vollführten eine ruckhafte Bewegung, die einer von Not und Scham im Keim erstickten Umarmung ähnelte. »Begreifst du nicht, daß ich dich liebe?«
    Liebe? Lindens Lippen versuchten das Wort zu bilden und vermochten es nicht. Mit dieser Versicherung änderte er alles. Binnen eines einzigen Augenblicks schien Lindens Welt eine andere zu werden. Sie stolperte vorwärts, verharrte dicht vor ihm. Er war bleich vor Erschöpfung, vom Leidensdruck seines Schicksals stark beeinträchtigt. Der alte Messerstich kennzeichnete die Mitte seines verdreckten T-Shirts wie ein Mal der Verhängnisverfallenheit. Aber die Schwingungen seiner Leidenschaft erreichten die zusätzliche Dimension ihres Gehörs; und Linden bebte auf einmal von Quicklebendigkeit. Er hatte nicht die Absicht gehabt, sich ihr zu verweigern. Die Anstrengungen, die er aufwendete, um an sich zu halten, standen mit ihr in keinem Zusammenhang. Er selbst war es, den er sich zurückzuweisen bemühte. Er war übervoll mit Gift und Lepra; aber sie anerkannte, akzeptierte sie. Ehe er zurückweichen konnte, schlang sie ihren linken Arm um ihn, hob den rechten Arm so hoch, wie es ihr möglich war, um Covenant an sich zu drücken.
    Einen Moment lang rang er noch mit sich, stand starr und unnachgiebig in ihrer Umarmung. Aber dann gab er nach. Er legte die Arme um sie, und sein Mund senkte sich so schnell, als stürze er ihr entgegen, auf ihre Lippen.

22
     

»AUCH LIEBE IN DER WELT«
     
     
    Spät am folgenden Morgen erwachte Linden nach der langen Nacht des Vollmonds in ihrer Hängematte. Sie fühlte sich durch und durch wohl, dank des Schlafs besänftigt. Ihr rechter Arm war bis in die Fingerspitzen warm und träge, wie eine Wiederkehr ihres früheren Ichs, des mit Tod unvertrauten Kindes, befreit von der Gefühllosigkeit, als hätte sich ihr Blut in Balsam verwandelt. Es widerstrebte ihr, die Augen zu öffnen. Obwohl sie durch die Lider bemerkte, daß die Kabine von Sonnenschein leuchtete, mochte sie nicht, daß der Tag begann, die Nacht endete.
    Doch ihr Körper – am Vorabend ausgiebig gewaschen und in neuer Frische empfänglich für Zärtlichkeiten gemacht – entsann sich des sachten Drucks von Covenants hautnaher Gegenwart, stellte seine Abwesenheit fest. Irgendwie hatte er es geschafft, aus der Hängematte zu steigen, ohne sie zu wecken. Linden fing an, eine schläfrige Unmutsbekundung zu murmeln. Da jedoch verspürten die Nerven in ihrer Wange ein leichtes Kribbeln von wilder Magie. Covenant befand sich noch in der Kabine. Sie lächelte sanft vor sich hin, als sie den Kopf hob und über den Rand der Hängematte nach ihm schaute.
    Er stand unter ihr auf dem Boden der Kabine, barfüßig und durch den Sonnenschein lebhaft von Licht umhüllt. Seine und Lindens Kleidung hing auf den Rücklehnen von Stühlen, über die sie sie gebreitet hatten, nachdem sie von den Haruchai gewaschen worden waren – eine Arbeit, die Brinn und Cail am vergangenen Nachmittag im Rahmen ihres eigentümlichen Pflichtgefühls erledigt hatten. Doch er machte keine Anstalten zum Anziehen. Seine Hände bedeckten sein Gesicht wie in einer unbewußten Nachahmung von Traurigkeit. Er sengte sich mit der winzigen Flamme an seinem Ring die Bartstoppeln von Wangen und

Weitere Kostenlose Bücher