Der einsame Baum - Covenant 05
du das Land nicht retten. Die Implikationen ihrer Äußerung brachten ihn beinahe um das bißchen Mut, das er noch besaß. War das wirklich wahr? Trieb ihn sein Egoismus tatsächlich so weit, daß er das Land zu verschachern beabsichtigte, um sich das Leben zu erhalten? Nein. Das stimmte nicht. Er wollte kein Leben, das er ohne Linden zu führen gezwungen sein würde. Aber er mußte überleben, mußte es, weil er sonst keine Gelegenheit zum Kampf gegen Lord Foul hatte. Eine menschliche Liebe eines Mannes war dafür kein zu hoher Preis.
Doch schon Lindens bloßer Anblick genügte, um sein Gesicht zu einer Grimasse des Sehnens und Verlusts zu verzerren. Mit insgeheimen Flüchen mußte er sich anstacheln, um ausreichende Würde für eine Antwort zusammenraffen zu können. »Ich weiß. Ich zähle auf dich.« Dann wandte er sich an die übrigen Gefährten. »Worauf warten wir noch? Wir wollen's hinter uns bringen!«
Die Riesen wechselten untereinander Blicke. Seeträumers Augen waren gerötet, als wären sie wund; doch er nickte auf die wortlose Frage der Ersten. Pechnase kannte kein Zögern. Blankehans vollführte eine Geste, die seine leeren Hände vorzeigte. Grimmig preßte die Erste die Lippen aufeinander. Sie zückte ihr Schwert und hielt es vor sich wie ein Aushängeschild ihrer Entschlossenheit.
Linden schaute verdrossen in den Abgrund, als wäre er das weite Nichts, in das sie sich gestürzt hatte, um Covenant und die Gefährten vor Kasreyn zu retten.
Mit einer Sicherheit, als hätte er bereits sein ganzes Leben hier zugebracht, näherte sich Brinn dem Felssims. Trotz seiner unregelmäßigen Kanten und des gefährlichen Gefälles war das Sims breit genug für Riesen. Die Erste schloß sich Brinn an, und Pechnase folgte ihr dichtauf. Als nächster kam Covenant, die gefühllosen Hände an Pechnases krummen Rücken geklammert. Ein Blick nach hinten, der ihn sofort aus dem Gleichgewicht zu bringen drohte, verriet Covenant, daß Cail direkt hinter ihm blieb, sich zwischen ihm und Linden befand, um gegebenenfalls beide schützen zu können. Hinter Linden folgten Hohl und Findail. Dann empfand er den Sog des Luftstroms zu stark, die Tiefe rüttelte bedenklich an seiner Geistesklarheit. Mit seinen unzulänglichen Fingern an Pechnases Wams gekrallt, strebte er den stillen Punkt der Ruhe im Zentrum des Schwindelgefühls an.
Doch als sie einen Teil der ersten Windung durchstiegen hatten, rief Linden leise seinen Namen, lenkte seine Aufmerksamkeit nochmals nach rückwärts. Über die Schulter sah Covenant, daß Blankehans und Seeträumer den Abstieg unterbrochen hatten. Sie standen einander auf dem Sims stumm gegenüber, als seien sie in einer Frage von Leben oder Tod verschiedener Meinung. Seeträumer schüttelte den Kopf, lehnte das ab, was er in Blankehans' Miene las. Einen Moment später gab der Kapitän nach. Er trat beiseite und ließ Seeträumer auf dem Sims den Vortritt.
In dieser veränderten Reihenfolge stiegen die Gefährten langsam auf dem gewundenen Sims in die Dunkelheit hinab. Nach zwei Windungen längs der Innenwand des Lochs blieb der Sonnenschein hinter ihnen zurück. Die Reichweite des Sonnenlichts nahm zu, indem die Sonne sich zum mittäglichen Zenit emporschwang; aber die Gefährten blieben auf ihrem Abwärtsweg schneller. Covenants Augen verweigerten die Anpassung an die Verhältnisse; der Schatten beeinträchtigte seine Sicht. Er wollte nach oben blicken, irgend etwas wieder deutlich und klar sehen; aber er war sicher, er würde abstürzen, wenn er es tat. Das Dunkel sammelte sich um ihn, ehe die Tiefe es hinabsaugte, und es versuchte, ihn mitzuziehen. Der Abgrund war seiner Sache in schwindelerregendem Maße sicher, unabdingbar wie Höhenfurcht oder Verzweiflung. Er fraß an Covenants Herz wie die Säure seiner Sünden. Irgendwo dort unten befand sich der Mittelpunkt dieser Sturzspirale, der ruhige Punkt der Kraft zwischen den Gegensätzen, an dem er einst gestanden und Lord Foul bezwungen hatte; aber anscheinend sollte er ihn nie erreichen. Das Sims war der Weg, auf dem alle Manipulationen Lord Fouls zusammenliefen. Seeträumer steckt voller Furcht. Ich glaube, er weiß, was Lord Foul treibt. Ein Fehltritt brachte Covenant dicht an den Schlund der Tiefe und den Rand der Panik. Er warf sich gegen Pechnases Rücken, klammerte sich an, während sein Herz wie rasend hämmerte. Selbst mit seinen stumpfen Sinnen merkte er, daß die Luft von Kraft strotzte.
Als wäre das Gift nicht genug, lauerte hier
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