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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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eine weitere Macht, die auf seine Vernichtung hinwirkte. Die Atmosphäre im Schacht bereitete ihm eine Gänsehaut, und gleichzeitig rann ihm kalter Schweiß an den Schläfen und den Rippen hinab wie ein Ausfluß wilder Magie.
    Cail streckte einen Arm aus, um ihn von hinten zu stützen. Pechnase murmelte einige Worte der Ermutigung über die Schulter. Nach einer Weile war Covenant zum Weitergehen imstande. Die Gefährten setzten den Abstieg fort.
    Die dicke Wolle seines Gewands kam Covenant zugute; sie allein verhinderte, daß er am ganzen Leibe zitterte. Ihm war, als beträte er ein Reich, das noch nie ein Sonnenstrahl berührt hatte, eine Stätte solcher Finsternis und schlummernder Gewalt, daß ihre uralte Kälte nicht einmal von direktem Sonnenlicht gemildert würde. Womöglich konnte kein vorstellbares Feuer stark genug sein, um die Mitternachtsschwärze aufzuhellen, deren Rachen zu Covenants Füßen klaffte. Vielleicht hatte niemand außer Brinn das Recht, sich hier aufzuhalten. Mit jedem Schritt fühlte Covenant sich kleiner. Die Dunkelheit isolierte ihn. Abgesehen von Pechnase und Cail, vermochte er seine Freunde lediglich am Geräusch ihrer Füße wahrzunehmen. Das leise Aufsetzen und Abrollen ihrer Sohlen erhob sich im Schacht wie das gedämpfte Flattern von Fledermausschwingen.
    Covenant hatte keine Möglichkeit, um inmitten dieser Finsternis das Verstreichen der Zeit zu messen, nicht einmal eine zum Zählen der Windungen, die sie durchmaßen. In einem Augenblick verrückten Übermuts schaute er zum kleinen Ausschnitt des Himmels über ihnen empor. Danach mußte er sich von Cail aufrecht halten lassen, während sich alles um ihn zu drehen schien.
    Die Luft im Schacht kühlte immer mehr ab, füllte sich zusehends mit kaum vernehmlichem Gesäusel, wurde immer unerträglicher. Aus irgendeinem Grund glaubte Covenant, daß sich der Schacht erweiterte, je tiefer sie ins Erdinnere der Insel eindrangen. Trotz der Stumpfheit seiner Sinne empfand er jede Emanation der Felswand wie eine bedrohlich geballte Faust – und als so geheimnisvoll wie ein Grab ohne Namen. Hinter sich hörte er Linden. Ihre Atmung bebte wie in naher Hysterie. Covenant war zumute, als müsse er an einer Kraft ersticken, die keinen Ursprung und keine konkrete Form besaß. In dieser Luft fühlte er sich, als wäre er von Strängen irrwitzigen Feuers durchzogen. Sie mußte Lindens Nerven fürchterlich zermürben.
    Dennoch hätte er sich am liebsten bitter darüber beklagt, daß er nicht spüren konnte, was sie spürte, dazu außerstande blieb, sein Schicksal oder die Konsequenzen des eigenen Handelns einzuschätzen. Seine mangelhafte sinnliche Wahrnehmung war zu einer Gefahr geworden – einer Bedrohung für die Welt, seine Freunde, für Linden.
    Dennoch ließ er sich nicht aufhalten. Es ist ohne Nutzen, danach zu trachten, seinen Fallstricken auszuweichen ... Er tappte abwärts, als zöge er hinab in Hohls schwarzes Herz.
    Als der Abstieg ein Ende fand, geschah es, ohne daß Covenant es vorher merkte. »Wir sind da«, sagte urplötzlich die Erste. Ihre Stimme sandte Echos nach oben wie einen Schwarm aufgeschreckter Vögel. Pechnases Rücken veränderte die Haltung. Covenants nächster Schritt trat auf ebenen Stein.
    In Reaktion darauf – und vor Kälte – fing Covenant heftig an zu zittern. Aber er hörte Linden in ihrer Kehle halb schluchzen, während sie sich auf ihn zutastete. Er legte seine Arme um sie, drückte sie an sich, als würde er nie mehr eine andere Gelegenheit finden, um Lebewohl zu sagen.
    Nur das gepreßte Atmen der übrigen Gefährten bezeugte, daß er und Linden nicht allein waren; sogar die leisen Atemzüge riefen Echos hervor, die dem Erwachen von Verhängnisvollem glichen.
    Covenant spähte aufwärts. Zuerst sah er absolut nichts vom Himmel. Der Schacht war so tief, daß seine Öffnung sich von unten nicht erkennen ließ. Einen Moment später jedoch blendete ihn Licht, als sich die Sonne über den Rand des Schachts schob. Plötzlich sah er seine Freunde neben sich, als wären sie auf einmal aus der Dunkelheit hervorgesprungen, aus der greulichen Kälte der Tiefe wiedererschaffen worden.
    Die Erste stand mit beiden Fäusten um ihre Entschlossenheit geklammert da. Neben ihr schnitt Pechnase eine Grimasse. Von Blankehans gestützt, biß Seeträumer gegen seine Verzweiflung die Zähne zusammen, schaute weißlichen Blicks rundum. Hohl ähnelte einer Verkörperung der Finsternis des Schachts. Findails cremiges Gewand wirkte

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