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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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danach den Schaden im Dach des Aufbaus. Um auf das Dach zu gelangen, kletterte er eine Leiter hinauf, die schon vorher bereitgestellt worden sein mußte. »Nun«, sprach er weiter, während er den beschädigten Granit untersuchte, »ein jeder kann mit Leichtigkeit ersehen, daß ich für derlei Arbeit nicht tauge. Mein Wuchs ist nicht dergestalt, daß mein Platz hinter Herzensfreude sein könnte. Ich kann mich nur langsam regen, sei's an Deck oder andernorts. In der Küche ...« – er lachte freimütig auf – »entspricht meine Größe schwerlich den Herden und Tischen. Einen Riesen wie mich haben die Erbauer von Sternfahrers Schatz fürwahr nicht vorausgesehen. Und was Segel und Leinen anbetrifft ...« Mit einem Nicken der Befriedigung, die entweder mit seinen Erkenntnissen bezüglich des Dachs oder mit seinen Gedankengängen zusammenhing, kehrte er zurück zu dem Kessel. »Mit dergleichen mangelt's mir an Geschicklichkeit.« Er griff in den steinernen Topf, rührte den Inhalt mit einer Hand um, klaubte dann eine braune Masse heraus, die schal roch und wie teilweise erhärteter Teer aussah. »Auserwählte«, sagte er, indem er diese Masse mit beiden Händen knetete, »aus gutem Grund ruft man mich Pechnase. Das hier ist mein ›Pech‹, das allein die Hände einiger weniger Riesen und niemand anderes ohne üble Folgen antasten dürfen, denn eine jede Hand, die nicht aus Riesen-Fleisch ist und von Riesen-Kunst geleitet wird, möchte sich gar in Stein verwandeln. So verdanke ich meinen Namen meinem Handwerk.« Erneut erklomm er die Leiter. »Sieh an«, rief er, als gäbe seine Tätigkeit ihm Frohsinn ein. Er begann sein Pech, als wäre es Ton, in die Bresche an Wand und Dachkante des Aufbaus zu füllen. Mit Nachdruck formte er das Pech, bis er die Lücke so beseitigt hatte, daß die Füllung die ursprünglichen Umrisse von Wand und Dachkante vollkommen wiederherstellte. Dann stieg er herunter, und kehrte zur Steinplatte zurück. Seine kraftvollen Finger brachen davon ein Stück in der Größe seiner Handfläche ab. Seine Augen leuchteten. Er lachte heiter vor sich hin und erstieg von neuem das Dach. Mit ausholender Geste, als hätte er ein großes Publikum zu unterhalten, schob er das abgebrochene Stück in das zähe, in die Lücke gefügte Pech. Zu Lindens Verblüffung kristallisierte das Bruchstück die teerähnliche Masse. Sie verwandelte sich fast augenblicklich in Stein. Im Zeitraum von nur zwei, drei Sekunden verschmolz das Pech mit den Rändern der Bresche. Die Wand machte einen so vollauf intakten Eindruck, als hätte sie nie eine Beschädigung davongetragen. Linden konnte keine Nahtstelle oder Unebenheit entdecken, anhand der sich der neue vom alten Stein hätte unterscheiden lassen. Ihr Gesichtsausdruck entlockte Pechnase ein Prusten der Erheiterung. »Sieh und sei belehrt!« Er lachte vergnügt. »Meine krumme, mißratene Gestalt gibt schlechten Aufschluß über den Geist, der darin wohnt!« Prahlerisch breitete er mit bedenklicher Waghalsigkeit die Arme aus. »Ich bin Pechnase der Kühne!« johlte er. »Schaut mich an und verspürt Ehrfurcht.«
    Die Riesen ringsherum ließen sich von seinem Übermut anstecken. Sie nahmen an seiner Lustigkeit Anteil, vergnügten sich an seinem komischen Auftritt. Da drang die Stimme der Ersten durch die Vielfalt von Scherzen und witzigen Bemerkungen. »Freilich bist du kühn«, sagte sie. Im ersten Moment mißverstand Linden ihren Tonfall. Man konnte meinen, die Erste tadele Pechnases Leichtsinn. Doch ein rascher Blick korrigierte diesen Eindruck. In den Augen der Ersten glomm ein Gemisch aus sanftmütiger, zärtlicher Freude und dunkler Erinnerung. »Und wenn du nicht sogleich von deiner hohen Warte herabsteigst«, ergänzte sie, »wird man dich alsbald Pechnase den Gestürzten heißen.«
    Wieder erhob sich lautes Gelächter aus den Reihen der Mannschaft. Pechnase mimte einen Verlust des Gleichgewichts und taumelte die Leiter herab, aber seine Miene spiegelte eine solche Fröhlichkeit wider, als könne er sich nur schwer vom Tanzen zurückhalten.
    Gleich darauf widmeten sich die Riesen wieder ihren Aufgaben; die Erste entfernte sich; und Pechnase gab sich damit zufrieden, seine Tätigkeit in sachlicherer Stimmung fortzusetzen. Er reparierte das Dach in kleinen Abschnitten, damit das Pech nicht durchsacken konnte, ehe er die Erhärtung auslöste; und als er fertig war, sah das Dach so heil und ganz aus wie die Wand. Anschließend nahm er sich die ins Deck gesengten

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