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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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mit Begehren. Doch es kam die Zeit – wie sie vielleicht für alle Schiffe einmal kommen muß –, da geriet die Wellentänzer durch ein mißliches Geschick in den Seelenbeißer. Ich nenn's ein unglückseliges Geschick, Linden Avery, denn so lautet meine Überzeugung. Der Seelenbeißer ist ein tückisches Meer, und keine Karte hat je seine wahre Geschichte erzählt. Bonke Knorrigfaust aber ging hart mit sich ins Gericht. Er wähnte, er habe in der Schiffsführung schwer gefehlt, und in dem Maße, wie die Fährnisse wuchsen, denen wir uns unversehens ausgesetzt sahen, wuchs auch sein gegen sich selbst gerichteter Grimm. Auf dem Seelenbeißer nämlich herrschte die Jahreszeit der Stürme, und wechselnde Winde wühlten die Wasser auf, rissen an der Wellentänzer, als wollten sie das Schiff zur gleichen Zeit in alle Himmelsrichtungen werfen. Kein Segel war noch von Nutzen, und so trieb die Dromond Heck voran südwärts, dem Ort der Riffe und des Verderbens entgegen, den man als Seelenbeißers Zähne kennt. Ohne Abhilfe oder Hoffnung schwammen wir auf die Zähne zu. Als wir uns dieser Gegend näherten, ließ Knorrigfaust in seiner Verzweiflung Segel setzen. Doch gelang's nur drei Segel zu setzen, und nur Morgenbegrüßer hielt dem Sturm stand. Die anderen flatterten alsbald in Fetzen an den Rahen. Morgenbegrüßer aber war unsere Rettung, wiewohl Knorrigfaust nichts dergleichen wahrhaben mochte, denn er wähnte sich allzu tief in die Ungunst des Schicksals verstrickt und sah kein anderes als das ärgste Ergebnis all seiner Entscheidungen voraus. Im Unwetter von Wind um Wind umhergezerrt, wehte der Sturm uns in Seelenbeißers Zähne.« Pechnases Erzählung machte auf Linden tiefen Eindruck: ihr schien jenseits des Sonnenscheins ein Gewitter heraufzuziehen, sich unmittelbar außerhalb der Sicht zusammenzuballen wie ein unvorhergesehenes Schrecknis.
    »Dennoch blieb uns das Glück in gewissem Umfang treu. Unser Glück war's, daß Morgenbegrüßer dem Wetter widerstand. Und es war ein Glück, daß es uns nicht bis ins Maul der Zähne trieb. Dort nämlich, inmitten zerklüfteter, wüster Riffe auf allen Seiten, wäre die Wellentänzer mit Gewißheit in Trümmer geborsten. Wir liefen jedoch nur auf das äußerste Riff – prallten dagegen und hingen fest, lagen schräg auf dem Riff, während der Seelenbeißer in seinem Wüten mit aller Gewalt seiner Fluten wider uns anrollte. In just diesem Augenblick fuhr ein Gegenwind in den Morgenbegrüßer. Seine Kraft hob uns von jenem Riff, trieb uns in einer rückläufigen Strömung ab, bevor das Segel riß. Auf diese Weise entkamen wir der unmittelbaren Bedrohung durch Seelenbeißers Zähne. Doch war der Schaden schon geschehen. Aus der Schlagseite der Wellentänzer ersahen wir, daß das Riff dem Schiffsrumpf ein Leck beigebracht hatte. Ein Schiff aus Stein vermag mit einer solchen Beschädigung nicht lange zu schwimmen. Wir hatten Pumpen, aber was sie leisteten, genügte nicht. Knorrigfaust rief mir seine Weisungen zu, doch konnte ich sie kaum vernehmen und daher seine Absicht nicht ergründen. Was bedurfte ich in einer solchen Stunde Weisungen? Der Wellentänzer Stein war gebrochen, und des Steins Wiederherstellung war meine Aufgabe. Ich säumte nicht länger, als ich brauchte, um Pech und Härtestein an mich zu nehmen, dann begab ich mich schnurstracks hinunter.« Pechnases Tonfall klang nun lebhaft scharf, unterstrich das Eindringliche seiner Schilderung, statt die Beschreibung ausschließlich den Worten zu überlassen. »Ich suchte das Leck, doch vermochte ich mich ihm nicht zu nahen. Obschon das Loch nicht größer war als meine Brust, überstieg die Wucht, mit der das Wasser in den Rumpf schoß, bedingt durch der Dromond Gewicht und des Seelenbeißers Tosen, meine Kräfte. Es gelang mir nicht, mich ans Leck zu stellen. Noch viel weniger konnte ich mit meinem Pech ans Werk gehen. Schon stand mir im Rumpf der Wellentänzer das Wasser bis an den Leib. Ein solcher Tod unter Deck, am Rande von Seelenbeißers Zähnen, wollte mir mißfallen, zumal's durch meinen Tod nichts zu gewinnen gab. Aber dieweil ich noch ohne Sinn oder Hoffnung danach trachtete, mich dem Leck zu nähern, erkannte ich auf einmal, welche Bedeutung Knorrigfausts Weisungen besaßen. Zu meinem äußersten Erstaunen versiegte plötzlich der Fluten Hereinschwallen. Und statt dessen erblickte ich Bonke Knorrigfausts Brust, die das Leck bedeckte. Getrieben vom unsäglichen Maß seines Selbstzürnens oder

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