Der einsame Baum - Covenant 05
in Ordnung?« fragte er mit gepreßter Stimme nach.
Linden tat die Vordergründigkeit der Frage mit einem Achselzucken ab. Was hat Chant mit dir gemacht? Sie sehnte sich danach, ihre Arme um ihn zu schlingen, aber sie wußte nicht wie. Niemals wußte sie, wie sie ihm helfen sollte. Grimmig nahm sie sich zusammen, suchte nach einer Möglichkeit, ihm mitzuteilen, was sie herausgefunden hatte, ihn zu warnen. Doch ihr fielen keine Worte ein, die harmlos genug gewesen wären. »Ich wollte, ich könnte mit dir darüber reden«, sagte sie daher lediglich im Ton vorsätzlich gekünstelter Nonchalance, indem sie ein begrenztes Risiko einging. »Cail hatte nicht unrecht.«
»Diesen Eindruck habe ich auch.« Seine Stimme klang barsch. Schon seit dem Anfang des Zusammentreffens mit den Elohim stand er am Rande der Gewalttätigkeit. Jetzt strotzte er nur so von drohenden Eruptionen. »Chant hat mich zu überreden versucht, daß ich ihm meinen Ring geben soll.« Linden starrte ihn entgeistert an. Ihr Gespräch mit Daphin hatte sie nicht auf die Eventualität vorbereitet, daß man mit ihren Gefährten rauher umsprang. »Er hatte zu dem Thema jede Menge zu sagen«, ergänzte Covenant. Hinter seiner Rauheit war er wahrhaft wild vor Bedrängnis. »Diese Elohim halten sich ja für den Nabel der Welt. Ihm zufolge spielt sich alles, was irgendwie wichtig ist, ausschließlich hier ab. Der Rest der Welt ist nur ein Schatten, den Elemesnedene wirft. Foul und das Sonnenübel sind bloß Symptome. Das wirkliche Übel würde irgendwo anders stecken – wo, das hatte er nicht die Güte zu verraten. Es geht ihm um irgendeine Finsternis, die das Herz der Erde bedroht. Er will meinen Ring. Er will die wilde Magie. Damit er gegen das Übel vorgehen kann.« Er braucht sie nicht , wollte Linden einwenden. Er ist verkörperte Erdkraft. Aber sie war sich darin unsicher, wieviel von ihren Erkenntnissen sie enthüllen durfte. »Als ich abgelehnt habe, meinte er, das sei auch egal.« Chants Miene drückte eine herrische Bestätigung von Covenants Darstellung aus. »Er findet, ich zähle nicht. Nach seiner Ansicht bin ich schon geschlagen.« Covenants Kiefer mahlten auf der immanenten Bitternis seiner Worte, ehe er sie ausspie. »Es ist völlig gleichgültig, was mit mir geschieht.«
Linden wand sich, als wäre sie selbst betroffen. »Nun weißt du«, sagte sie, um ihm ihr Verständnis zu zeigen, »wie mir Tag für Tag zumute ist.«
Aber ihr Versuch schlug fehl. Covenant legte die Stirn in Falten. Seine Augen stachen wie Splitter. »Es ist nicht nötig, mich daran zu erinnern.« Die Riesen hatten sich hinter seinem Rücken gesammelt. Man sah ihren Gesichtern an, während sie lauschten, daß sie nichts verstanden. Covenant jedoch war vor Bitterkeit nahezu außer sich und merkte nicht, was für eine Kränkung er Linden entgegenschleuderte. »Was glaubst du denn, wozu du hier bist? Jeder erwartet, daß ich scheitere.«
»Ich nicht!« schnauzte sie zurück; plötzlich war es ihr gleich, ob sie damit womöglich ihrerseits ihn verletzte. »So habe ich's nicht gemeint.«
Ihre Vehemenz mäßigte ihn. Er schaute sie an, verhärmt durch Erinnerungen und Furcht. Als er wieder den Mund aufmachte, hatte er ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung zurückgewonnen. »Entschuldigung. Ich komme hier ziemlich schlecht zurecht. Es gefällt mir überhaupt nicht, so gefährlich zu sein.«
Linden nahm seine Entschuldigung mit steifem Nicken an. Was hätte sie anderes tun sollen? Hinter seiner Erregung war Covenants Zielbewußtheit hart wie Diamant geworden. Aber Linden wußte nicht, was er vorhatte. Wie weit wollte er gehen?
Mit einem Gebaren, als wäre er aus Stein, wandte sich Covenant nach den Riesen um. Barsch begrüßte er sie. Die Augen der Ersten konnten nicht verhehlen, daß sie sich um ihn sorgte. Von Pechnase ging freundschaftliches Mitgefühl aus, das in bezug auf seine »Prüfung« nichts verriet; Blankehans jedoch wirkte perplex, als könne er Covenants Bericht und Lindens Einstellung absolut nicht mit den eigenen Erlebnissen vereinbaren. Erneut fragte sich Linden, was für ein Handel das sein mochte, den er – für sie unverkennbar – mit den Elohim machen zu können hoffte.
Immer mehr Elohim fanden sich ein; inzwischen waren es so viele, daß sie das Innere des Kreises ausfüllten, den die Ulmen bildeten, und bis in die halbe Höhe der Erhebung standen. Ihre Bewegungen erzeugten ein Rascheln, das sich fast wie Raunen anhörte, aber sie schlenderten
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