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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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Sympathie zwischen uns. Eine zweckfreie Sympathie, die nicht danach verlangte in irgendein Tun umgemünzt zu werden, sondern einfach da war und schön.
    »Ich fahre jetzt«, sagte sie, blieb aber stehen.
    »Ja, gute Nacht.«
    »Gute Nacht.« Sie zögerte noch, lächelte, winkte und stieg endlich in ihr Auto.
    Sie winkte so lange aus dem Wagenfenster, bis sie hinter der ersten Kurve im Wald verschwand.
    Hätten wir doch ummünzen sollen? Doch nein! »In einem sozial geordneten Leben muss ... usw.« (siehe Motiv und Vorbereitung S.3)
    Ich vergaß die Wirtin und wärmte meine Bohnen auf.
    Später saß ich auf dem Steg. Es war ein wunderschöner warmer Sommerabend. Die Vögel jubelten als würden sie fühlen wie ich. Der See lag unbewegt in der Abendsonne. Ein weißer Schwan glitt heran, schaute nach, ob es etwas zu fressen gäbe, nahm etwas Abstand, blieb aber in der Nähe.
    Es war überwältigend. Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte: Das Gefühl, den Zwängen von Gewohnheit und alltäglicher Einförmigkeit entronnen zu sein, Unvorhergesehenes als Glück zu erleben, in mir so etwas wie Urvertrauen zu entdecken und somit der gesuchten Freiheit auf der Spur zu sein.
    Ich hätte jubeln mögen wie die Vögel. Oder mit einem Menschen sprechen, der genau so empfand wie ich. Nur so einen Menschen hatte ich nicht bei mir, kannte einen solchen nicht einmal. Wie also sollte ich das Glück verdoppeln, indem ich es teilte, - indem ich mich mitteilte?
    Früher wäre das ein echtes Problem gewesen. Da brauchte der Mensch Freunde, Gleichgesinnte, Gleichgestimmte. Das ist Vergangenheit. Denn heute, heute gibt es die Technik. Die Technik ersetzt dir den Freund und die Freundin, ist ein geduldiger Partner, ein aufmerksamer Zuhörer mit großartigem Gedächtnis, der niemals widerspricht und so auch nichts verderben kann.
    Eingedenk dessen nahm ich meinen Recorder zur Hand und erzählte ihm mit gedämpfter Stimme, was in mir und um mich herum vorging.
    Der Schwan zog sich irritiert etwas weiter zurück. Der Steg ächzte gequält. Die Vögel minimierten ihren Gesang.
    Nach einer Weile fand der Schwan die Sache immerhin interessant, kehrte zu mir zurück und hörte zu. Ein Fisch durchstieß von unten her kurz die Wasseroberfläche, um nach dem Rechten zu sehen und bewegte damit weite Kreise. Ich legte den Recorder zur Seite und erklärte auch den Schwan, die Vögel und den Fisch zu Freunden. Bei denen blieb ich dann so lange glücklich und zufrieden sitzen, bis ich fröstelte und eine heiße Dusche dem Zauber dieses Abends zur Vollkommenheit verhalf.

Dritter Tag
    Der nächste größere Ort, den es zu erreichen galt, war Bielefeld. Der Weg dorthin war leicht zu finden und ich stand bald in der Innenstadt. Dort allerdings wurde es schwierig. Mitten im Zentrum packte ich meine Karte aus. Aber was nützt die schönste Radwanderkarte, wenn man eigentlich einen Stadtplan braucht? Ein Passant mit blonden Haaren und sonnenbraunem Gesicht, der einen sportlichen blauen Anorak trug, erbarmte sich meiner und blieb stehen, während ich gerade versuchte die unhandliche Karte auf Gebrauchsgröße zu falten, um sie vor einigen plötzlich herabfallenden Regentropfen zu schützen. Das ursprünglich schöne Wetter zeigte auf einmal Anzeichen von Inkontinenz.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Über Bielefeld-Senne nach Verl.«
    »Mit dem Fahrrad?«
    »Hemmm.« Die Frage erschien mir rhetorisch. Vermutlich wollte er Zeit gewinnen.
    »Da müssen Sie durch die Fußgängerzone und dann nach rechts.«
    »Wo ist die Fußgängerzone?« Immer wurde man durch eine Fußgängerzone geschickt, an deren Ende keine Hinweisschilder standen.
    »Dort.« Seine Hand zeigte nach links über einen unübersichtlichen verkehrsreichen Platz. »Sie können aber auch hier entlang fahren. Da ist zwar mehr Verkehr, aber es gibt einen Radweg neben der Straße. Der ist sogar beschildert.« Er deutete in die entgegengesetzte Richtung.
    Ich bedankte mich. Auf die Fußgängerzone konnte ich verzichten.
    Zuerst war der Autoverkehr enorm. Aber es gab kleine grüne Schildchen für die Radfahrer, auf denen sogar Senne stand. Bald schirmten Bäume den Radweg ab und bewahrten mich weitest gehend vor dem unaufhörlichen zaghaften Tröpfeln, dass der Himmel nicht zurückhalten konnte. Ein geradezu ideales Vorankommen. Bis - ja, bis die Baustelle kam. Der ideale Weg war zu Ende. Es ging bergauf über eine Brücke und dann hinein in ein feines Wohngebiet. Der bebauten Hügel wurden immer mehr und

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