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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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zügig nach Brenken hinab. Ein junger Mann sagte mir, dass etwa hundert Meter weiter zwei Hotels seien, die er beide als gleichwertig einschätzte.
    Ich wählte das optisch ansprechendere. In der Gaststube erfuhr ich den Zimmerpreis, der sich inklusive Frühstück verstand und dass ich mein Gepäck erst einmal im Vorraum abstellen solle, man würde gleich kommen, das Rad in die Garage bringen und mir mein Zimmer zeigen.
    Es war die Frau des Besitzers, die sich mit mütterlicher Sorgfalt um mich kümmerte. Sie half beim Hinauftragen des Gepäcks und kehrte kurz, nachdem sie mich allein gelassen hatte, noch einmal zurück, um mir eine Flasche Duschgel mit Pfirsichduft in die blitzsaubere Dusche zu stellen. Im Zimmer stand ein kuschelig weiches Bett und ein Fernseher. Ich probierte die Dusche aus. Dann ging ich hinunter in die Gaststube, um etwas gegen meinen Durst zu unternehmen.
    Gäste waren nicht zu sehen. Aus einem Nebenraum klangen Fernsehgeräusche herein. Dort fand ich die Inhaber und bat um ein Bier. Die Mütterliche holte es mir unter der Theke hervor. Dann ging sie zurück zu ihrem Mann und dem Krimi im Fernsehen. Ich trank mein Bier aus der Flasche. Bier schmeckt nur aus der Flasche oder aus einem Krug (Alte bayerische Bauernregel). Die Gaststube machte einen komfortablen Eindruck, mit von schwarzem Gebälk durchzogenen weißen Wänden, einer hölzernen Galerie im ersten Obergeschoss, rustikalen Tischen und Stühlen im Landhausstil und einem offenen Kamin in der Ecke. Im Nebenraum sah es schlichter aus. Mein zweites Bier trank ich dort auf einem Stuhl zwischen den beiden Besitzern sitzend, sozusagen als ein Mitglied der Familie. Die Mütterliche hatte die Schuhe von den Füßen gestreift und bewegte die Zehen behaglich auf und nieder. Es gab auch einen dicken alten Hund. Er ließ sich neben mir auf den Boden plumpsen und lehnte seinen Rücken gegen meine Waden. Der Besitzer hing mit hochgelegten Beinen in seinem Sessel. In den Werbepausen sprachen wir über das Woher und Wohin und die Gefährdungen, die leichtsinnige Motorradfahrer auf kurvenreichen Bergstraßen verursachen. Irgendwann verschwand die Mütterliche und der Hotelbesitzer selbst holte mir ein letztes Bier. Wir unterhielten uns über unsere Häuser, von denen er im Laufe der Jahre zwanzig gekauft und ausgebaut hatte, während ich nur eines zu bieten hatte, das noch nicht einmal bezahlt war; über unsere Kinder - auch da war er mit vier zu zwei im Vorteil, wobei die seinen enttäuschend waren, weil sie nicht das geringste Interesse an seinem Lebenswerk zeigten und ihren Urlaub irgendwo im Ausland verbrachten, ohne ihn zu besuchen. Meine, so fand ich, waren auch enttäuschend, allerdings auf eine andere Art. Und dann hatte er noch zwei Schlaganfälle zu bieten. Da konnte ich nun nichts entgegensetzen, außer einem Krampf im linken Ringfinger, den ich einmal überraschend erlebt hatte und der durchaus auch die Folge eines kleinen Schlaganfalls hätte sein können.
    Mein Bier war ausgetrunken; ich war müde und sagte ihm, dass ich nun ins Bett wolle. Das kam ihm gelegen, denn er hatte denselben Wunsch zur selben Zeit, sodass wir mit der Feststellung schieden, doch irgendwie vom gleichen Schlag zu sein.

Vierter Tag
    Ich hatte geschlafen wie ein Murmeltier. So ein weiches Bett machte charakterlos. Es entwickelte diese fatale Nur-noch-fünf-Minuten-Taktik, die einen ganzen Vormittag kosten konnte. Nur die fast ebenso verlockenden Reize eines Duschbades von unbegrenzter Dauer bewahrten mich letztlich vor dieser Gefahr. Nachdem ich im hoteleigenen Pfirsichduft meine Persönlichkeit wieder gefunden hatte, bekam ich Appetit aufs Frühstück.
    Dieses wartete schon an einem Einzeltisch auf mich. Ein Ei mit wärmendem Häubchen wollte geköpft werden, ein kleiner gläserner Krug mit Orangensaft versprach Erfrischung, eine Kanne mit sechs heißen Tassen Kaffee im Bauch Munterkeit. Reichlich Brötchen, Aufschnitt und Käse ließen den Verdacht auf den Versuch der Verführung zu unchristlicher Völlerei in mir aufkeimen. Ein Glas Marmelade verströmte einen Duft, der schon ein halbes Dutzend Fliegen besoffen gemacht hatte, sodass sie sich nur noch torkelnd in seiner Nähe halten konnten.
    Die Mütterliche eilte herbei und fragte, ob ich lieber Tee statt des Kaffees haben wolle. Ich winkte ab. Das Frühstück war perfekt.
    Heute war ich nicht der einzige Gast. Am Nebentisch saßen Leute, Tourenradler, die mit dem Auto gekommen waren, im Hotel Urlaub machten und

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